Jedes Jahr fallen in Deutschland über 400 Tonnen hochradioaktiver Atom-Müll an. Weltweit entstehen bei der Produktion von Kernenergie nach Angaben von Greenpeace sogar 150 000 Tonnen atomarer Abfall, der geschätzt noch eine Million Jahre strahlen soll.
Zwar gibt es mehrere Zwischenlager an der Oberfläche, wie Castor-Behälter in Deutschland oder Betonwannen in Großbritannien jeweils in direkter Nachbarschaft zu den Meilern, doch diese sind laut Thorsten Becker Atom-Experte des Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), viel anfälliger gegen Einwirkungen oder Angriffe von außen als es unterirdische Endlager wären. Von diesen aber existiert auf dem gesamten Globus kein einziges.
Trotz der Zweifel von Geologen an der Sicherheit des Salzstocks im niedersächsischen Gorleben auf Grund des Wassereinbruchs im ähnlich aufgebauten Versuchslager Asse, prüft die Bundesregierung aktuell erneut dessen Eignung als Lagerstätte. „Nach den Erfahrungen mit Asse ist Gorleben eigentlich nicht durchsetzbar, weil es genauso absaufen wird“, sagt der Geophysiker Professor Gerhard Jentzsch von der Uni Jena dieser Zeitung. Jentzsch ist Mitglied der Entsorgungskommission im Bundesumweltministerium, die sich mit der Endlager-Problematik beschäftigt.
Granitgestein und Tonschichten
International sind längst andere Formen der Lagerung in den Fokus gerückt, die nach Ansicht von Experten auch in Deutschland möglich wären. In Schweden wird wie in Finnland geplant, den Atommüll mit Kupfer zu ummanteln und in Granitstollen einzulagern. Zwei Standorte haben sich als Endlagerstätte beworben, da sich die Bevölkerung von den damit verbundenen Infrastrukturmaßnahmen Vorteile verspricht. „Das ist der Unterschied zu Deutschland. Dort wurde die Bevölkerung an der Diskussion beteiligt. Das müsste auch hier geschehen“, sagt Gerhard Jentzsch. Nach aktuellen Plänen soll das zwei Milliarden teure Lager in Österhammar entstehen und 2013 in Bau gehen.
Jentzsch ist jedoch von der Eignung der Kombination Granit und Kupfer nicht restlos überzeugt: „Granit ist wasserdurchlässig. Sollte der Atommüll mit Kupfer ummantelt werden, müsste soviel davon verwendet werden, dass der Weltmarkt-Preis in die Höhe schießen würde.“ Außerdem wurden in dem Granit Spuren von 58 Erdbeben in den vergangenen 10 000 Jahren nachgewiesen.
Frankreich, zu 78 Prozent von Atomkraft (Deutschland 28 Prozent), hat bei dem abgelegenen Dorf Bure in Lothringen Erkundungsbohrungen in unterirdischen Tonschichten vorgenommen. Das mehrere hundert Meter tief liegende Sediment Opalinuston wird ab einer Mächtigkeit von 100 Metern allgemein von Experten wie Professor Jentzsch als ein mögliches Endlager für hochradioaktiven Atom-Müll erachtet. da das Gestein seine Eigenschaften seit Millionen von Jahren nicht verändert habe.
Auch in Belgien und in der Schweiz bei Benken werden deshalb die dortigen Tonschichten für ein unterirdisches Lager untersucht. Der Alpenstaat ist von dem Standort bisher überzeugt. Die Technische Hochschule Zürich hat jedoch festgestellt, dass Opalinuston ungeeignet sei, wärmeentwickelnden Atom-Müll aufzunehmen. Unter bestimmten Bedingungen könnten starke Risse in dem Sediment entstehen. „Alle Gesteine haben Vor- und Nachteile. Entscheidend ist der konkrete Ort. Deshalb kann ein vergleichsweise sicheres Endlager nur über den direkten Vergleich von konkreten Standorten gefunden werden“, sagt Thorsten Becker.
Regierung will von Alternativ-Lösungen nichts wissen
Lange Zeit galt das Areal Yucca Mountain in der Wüste von Nevada als Kandidat für das weltweit erste Endlager für hochradioaktiven Atommüll. Untersuchungen von Wissenschaftlern haben jedoch ergeben, dass das Granitgestein den Sicherheitsanforderungen nicht entspricht. Deshalb hat US-Präsident Obama den Ausbau von Yucca Mountain gestoppt.
In Deutschland gibt es nach einem Bericht der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe aus dem Jahr 2007 neben den niedersächsischen Salzstöcken auch Tonsteinvorkommen in Nord- und Süddeutschland, die für eine Endlagerstätte in Frage kämen. Atom-Experte Becker fordert, dass verschiedene mögliche Standorte anhand zuvor festgelegter Kriterien untersucht und verglichen werden müssten. Gerhard Jentzsch hält es ebenfalls für sinnvoll, nicht nur Gorleben als einziges Bergwerk zu prüfen. Das hat er als Mitglied des Arbeitskreises Auswahlverfahren Endlagerungsstandort (AkEnd) 2002 auch der Bundesregierung empfohlen. Doch der damalige grüne Umweltminister Jürgen Trittin wollte von einer Alternative zu Gorleben ebenso nichts wissen wie der heutige Amtsinhaber Norbert Röttgen (CDU) – und das nach dem Desaster von Asse.
Quelle: www.derwesten.de