Der Atomausstieg kommt, aber vorher können E.on, RWE und Co. mit ihren Meilern noch kräftig Geld verdienen: Dank des neuen Atomgesetzes dürfen alle noch aktiven AKW bis 2021 oder gar 2022 durchlaufen. Selbst in der CDU gibt es Unmut über diese Lösung.
Hamburg - Der Atomausstieg wird wohl mit einem Mal stattfinden - zu Beginn des kommenden Jahrzehnts. Laut einem Entwurf des Atomgesetzes, der SPIEGEL ONLINE vorliegt, erteilt die Regierung den Energiekonzernen keine Auflagen, neuere AKW bereits vor 2021 abzuschalten.
Für den Ausstieg werden lediglich drei Daten genannt:
Die Betriebserlaubnis der sieben älteren AKW (Biblis A, Neckarwestheim 1, Biblis B, Brunsbüttel, Isar 1, Unterweser, Philippsburg 1) und das pannenanfällige AKW Krümmel erlischt einen Tag nach Inkrafttreten des schwarz-gelben Atomgesetzes.
Die Betriebserlaubnis für sechs weitere AKW (Grafenrheinfeld, Gundremmingen B, Philippsburg 2, Grohnde, Gundremmingen C und Brokdorf) endet am 31. Dezember 2021.
Die Betriebserlaubnis für die AKW Isar 2, Emsland und Neckarwestheim 2 ist bis zum 31. Dezember 2022 begrenzt.
Damit gehen die älteren sieben Meiler und Krümmel etwas früher vom Netz als nach dem rot-grünen Atombeschluss geplant. Die verbleibenden neun AKW laufen zum Teil deutlich länger (siehe Grafik).
Rot-Grün hatte 2001 festgelegt, dass Atomkraftwerke in Deutschland rund 32 Jahre laufen. Die damalige Regierung hatte jedem Kraftwerk eine gewisse Strommenge zugeteilt, die es maximal produzieren darf, ehe die Betrieberlaubnis erlischt: die sogenannte Reststrommenge. Sollte ein AKW nach 32 Jahren noch Reststrommengen übrighaben, konnte es diese auf modernere Kraftwerke übertragen.
Schwarz-Gelb hat diese Regelung ohne Änderungen beibehalten. Das bedeutet: Ältere Kraftwerke dürfen ihre Reststrommengen stets auf neuere übertragen. Stillgelegte AKW dürfen ihre Reststrommengen auf alle AKW übertragen - das gilt auch für die acht Meiler, die 2011 vom Netz gehen. Das schon länger stillgelegte AKW Mülheim-Kärlich darf seine Reststrommengen auf die AKW Gundremmingen B, Gundremmingen C, Isar 2, Emsland und Neckarwestheim 2 und Brokdorf übertragen.
Ärger ist programmiert
Da die acht Meiler, die derzeit schon vom Netz sind, dauerhaft abgeschaltet werden, führt das dazu, dass die neueren neun Anlagen zum Teil deutlich länger laufen als die angepeilten 32 Jahre. Das AKW Grafenrheinfeld etwa könnte nun länger als 38 Jahre laufen - ungeachtet aller Sicherheitsbedenken.
Nach Berechnungen des Öko-Instituts reichen die noch vorhandenen Reststrommengen, um die neun moderneren AKW bis Ende des Jahrzehnts durchlaufen zu lassen. Hinzu kommt, dass Atomkraftwerke zweitweise für Wartung vom Netz müssen - und dass sie immer dann, wenn Wind- und Solaranlagen viel Energie in die Netze speisen, ihre Stromproduktion herunterdimmen müssen.
Der Grund: Ökostrom hat in deutschen Netzen Vorfahrt. Die Netzbetreiber müssen den Erzeugern von Wind- und Solarstrom ihre Elektrizität bevorzugt abnehmen, ehe sie Atom- oder Kohlestrom durch die Leitungen lassen. Je mehr Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt wird, desto stärker wird die Kernkraft verdrängt.
"Unterm Strich bedeutet das, dass die neun moderneren AKW bis nahezu Ende 2021 durchlaufen können", sagt Felix Matthes, Energieexperte vom Ökoinstitut. Dadurch entstehe eine gefährliche "Ausstiegsklippe". Um diese zu vermeiden, müsse man die aktuellen Reststrommengen der 17 AKW um rund 35 Prozent kürzen.
Im Bundesumweltministerium stößt die laut Atomgesetz-Entwurf angestrebte Lösung nicht auf Begeisterung. Es gab dort Überlegungen, die verbleibenden Meiler gestaffelt abzuschalten. Auch die Ethikkommission hatte Kanzlerin Merkel eine schrittweise Abschaltung der neun verbleibenden AKW empfohlen.
Die Grünen sind ebenfalls empört: "Tatsache ist: Vor dem 31.12.2021 ist keine weitere Stilllegung geplant", kritisierte Fraktionschef Jürgen Trittin. Kanzlerin Angela Merkel sei dabei, "die historische Chance zu verspielen, den seit Jahrzehnten schwelenden Atomkonflikt in einem echten Konsens zu lösen".
Ärger ist also programmiert - zumal das Atomgesetz in seiner aktuellen Form noch weiteres Konfliktpotential birgt: Das Gesetz tritt erst in einigen Wochen in Kraft - das Moratorium der Bundesregierung für die sieben Altmeiler indes läuft Mitte Juni aus. Theoretisch könnten die Energiekonzerne ihre Methusalemmeiler also noch einmal hochfahren.
Quelle: http://www.spiegel.de
Hamburg - Der Atomausstieg wird wohl mit einem Mal stattfinden - zu Beginn des kommenden Jahrzehnts. Laut einem Entwurf des Atomgesetzes, der SPIEGEL ONLINE vorliegt, erteilt die Regierung den Energiekonzernen keine Auflagen, neuere AKW bereits vor 2021 abzuschalten.
Für den Ausstieg werden lediglich drei Daten genannt:
Die Betriebserlaubnis der sieben älteren AKW (Biblis A, Neckarwestheim 1, Biblis B, Brunsbüttel, Isar 1, Unterweser, Philippsburg 1) und das pannenanfällige AKW Krümmel erlischt einen Tag nach Inkrafttreten des schwarz-gelben Atomgesetzes.
Die Betriebserlaubnis für sechs weitere AKW (Grafenrheinfeld, Gundremmingen B, Philippsburg 2, Grohnde, Gundremmingen C und Brokdorf) endet am 31. Dezember 2021.
Die Betriebserlaubnis für die AKW Isar 2, Emsland und Neckarwestheim 2 ist bis zum 31. Dezember 2022 begrenzt.
Damit gehen die älteren sieben Meiler und Krümmel etwas früher vom Netz als nach dem rot-grünen Atombeschluss geplant. Die verbleibenden neun AKW laufen zum Teil deutlich länger (siehe Grafik).
Rot-Grün hatte 2001 festgelegt, dass Atomkraftwerke in Deutschland rund 32 Jahre laufen. Die damalige Regierung hatte jedem Kraftwerk eine gewisse Strommenge zugeteilt, die es maximal produzieren darf, ehe die Betrieberlaubnis erlischt: die sogenannte Reststrommenge. Sollte ein AKW nach 32 Jahren noch Reststrommengen übrighaben, konnte es diese auf modernere Kraftwerke übertragen.
Schwarz-Gelb hat diese Regelung ohne Änderungen beibehalten. Das bedeutet: Ältere Kraftwerke dürfen ihre Reststrommengen stets auf neuere übertragen. Stillgelegte AKW dürfen ihre Reststrommengen auf alle AKW übertragen - das gilt auch für die acht Meiler, die 2011 vom Netz gehen. Das schon länger stillgelegte AKW Mülheim-Kärlich darf seine Reststrommengen auf die AKW Gundremmingen B, Gundremmingen C, Isar 2, Emsland und Neckarwestheim 2 und Brokdorf übertragen.
Ärger ist programmiert
Da die acht Meiler, die derzeit schon vom Netz sind, dauerhaft abgeschaltet werden, führt das dazu, dass die neueren neun Anlagen zum Teil deutlich länger laufen als die angepeilten 32 Jahre. Das AKW Grafenrheinfeld etwa könnte nun länger als 38 Jahre laufen - ungeachtet aller Sicherheitsbedenken.
Nach Berechnungen des Öko-Instituts reichen die noch vorhandenen Reststrommengen, um die neun moderneren AKW bis Ende des Jahrzehnts durchlaufen zu lassen. Hinzu kommt, dass Atomkraftwerke zweitweise für Wartung vom Netz müssen - und dass sie immer dann, wenn Wind- und Solaranlagen viel Energie in die Netze speisen, ihre Stromproduktion herunterdimmen müssen.
Der Grund: Ökostrom hat in deutschen Netzen Vorfahrt. Die Netzbetreiber müssen den Erzeugern von Wind- und Solarstrom ihre Elektrizität bevorzugt abnehmen, ehe sie Atom- oder Kohlestrom durch die Leitungen lassen. Je mehr Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt wird, desto stärker wird die Kernkraft verdrängt.
"Unterm Strich bedeutet das, dass die neun moderneren AKW bis nahezu Ende 2021 durchlaufen können", sagt Felix Matthes, Energieexperte vom Ökoinstitut. Dadurch entstehe eine gefährliche "Ausstiegsklippe". Um diese zu vermeiden, müsse man die aktuellen Reststrommengen der 17 AKW um rund 35 Prozent kürzen.
Im Bundesumweltministerium stößt die laut Atomgesetz-Entwurf angestrebte Lösung nicht auf Begeisterung. Es gab dort Überlegungen, die verbleibenden Meiler gestaffelt abzuschalten. Auch die Ethikkommission hatte Kanzlerin Merkel eine schrittweise Abschaltung der neun verbleibenden AKW empfohlen.
Die Grünen sind ebenfalls empört: "Tatsache ist: Vor dem 31.12.2021 ist keine weitere Stilllegung geplant", kritisierte Fraktionschef Jürgen Trittin. Kanzlerin Angela Merkel sei dabei, "die historische Chance zu verspielen, den seit Jahrzehnten schwelenden Atomkonflikt in einem echten Konsens zu lösen".
Ärger ist also programmiert - zumal das Atomgesetz in seiner aktuellen Form noch weiteres Konfliktpotential birgt: Das Gesetz tritt erst in einigen Wochen in Kraft - das Moratorium der Bundesregierung für die sieben Altmeiler indes läuft Mitte Juni aus. Theoretisch könnten die Energiekonzerne ihre Methusalemmeiler also noch einmal hochfahren.
Quelle: http://www.spiegel.de