Mittwoch, 21. September 2011

Rund um Gorleben werden weniger Mädchen geboren /2.09.11

Im Umkreis von 35 Kilometern um Gorleben werden seit der Lagerung von Atommüll weniger Mädchen geboren. Die Ursache dafür ist noch nicht bekannt.

Das Landesgesundheitsamt in Hannover hat das verschobene Geschlechterverhältnis bestätigt

Nach der Einlagerung der ersten Castor-Behälter im Zwischenlager Gorleben hat sich in der Region das Geschlechterverhältnis bei Geburten zuungunsten der Mädchen verschoben. Das stellt ein unveröffentlichter Bericht des Landesgesundheitsamtes in Hannover fest, der der Nachrichtenagentur dapd vorliegt.

Das Amt analysierte Geburten im 35-Kilometer-Radius um Gorleben in vier Bundesländern. Dort wurden vor der ersten Castor-Einlagerung auf 100 Mädchen 101 Jungen geboren, danach jedoch auf 100 Mädchen 109 Jungen. Statistisch kommen bundesweit 105 Jungen auf 100 Mädchen zur Welt.

Es gebe nunmehr einen „unabhängigen Nachweis, dass um das Transportbehälterlager Gorleben Verschiebungen im sekundären Geschlechterverhältnis seit 1996 zu beobachten sind“, heißt es in dem Bericht. Damit sei jedoch „noch kein Beweis in Richtung auf eine stattgefundene Strahlenbelastung im Niedrigdosisbereich“ durch das Castor-Lager Gorleben gegeben.

Das sogenannte sekundäre Geschlechterverhältnis bezieht auf die Verteilung der Geschlechter bei der Geburt.

Effekt auch bei anderen Atomanlagen

Der erste Castor-Behälter mit hochradioaktivem Müll erreichte 1995 Gorleben. Das Landesgesundheitsamt vergleicht die Geburten um Gorleben in den Jahren 1991 bis 1995 mit denen in den Jahren 1996 bis 2009. Der Bericht für das niedersächsische Sozialministerium überprüft vorangegangene Berechnungen des Biostatistikers Hagen Scherb vom Helmholtz Zentrum München.

Scherb hatte auch für die Umgebung anderer deutscher Atomanlagen ein Defizit an Mädchen bei den Geburten festgestellt.

Die statistischen Hauptaussagen von Scherb für das niedersächsische Gebiet um Gorleben hätten Bestand, stellt der Bericht fest. Das habe Veranlassung dafür gegeben, die Auswertungen auf das in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommer und Sachsen-Anhalt gelegene Gebiet um Gorleben auszudehnen.

Im gesamten 35-Kilometer-Radius um Gorleben wurden dem Bericht zufolge von 1991 bis 2009 knapp 27.000 Kinder geboren. Bis 1995 zählte das Amt dabei 3.558 Mädchen und 3.600 Jungen, ab 1996 dann 9.437 Mädchen und 10.323 Jungen.

Keine höhere Strahlung feststellbar

Die nachgewiesene Verschiebung im Geschlechterverhältnis müsse getrennt von Scherbs These diskutiert werden, dass Radioaktivität das Geschlechterverhältnis bei Geburten verändern könne, betont der Bericht allerdings. Um das Zwischenlager Gorleben sei keine relevante zusätzliche Exposition der Bevölkerung durch Strahlung beobachtet worden.

Nach Angaben des Landesgesundheitsamtes wurde der Bericht mit dem Titel „Veränderungen im sekundären Geschlechterverhältnis in der Umgebung des Transportbehälterlagers Gorleben ab 1995“ im Juli abgeschlossen.

Derzeit liege er den Auftraggebern vor und solle in einigen Wochen veröffentlicht werden, sagte ein Sprecher des Amtes. Das Zwischenlager Gorleben hatte zuletzt durch eine erhöhte Strahlung am Zaun seines Geländes Schlagzeilen gemacht.
Quelle: http://www.welt.de