Mittwoch, 22. Oktober 2008

Pommesbuden werden strenger behandelt /22.10.08

gelesen bei Neues Deutschland
»Kein Betrieb ohne Endlager«
Antiatom-Aktivist Jochen Stay: Pommesbuden werden strenger behandelt / Stay (43) ist Sprecher der Antiatom-Initiative X-tausendmal quer

ND: In gut zwei Wochen rollt wieder ein Castortransport ins Zwischenlager Gorleben. Was steht dieses Jahr inhaltlich im Mittelpunkt der Proteste der Atomkraftgegner?
Stay: Wir hoffen, dass sich viele Menschen mit Kind und Kegel am 8. November auf den Weg zu der Großdemonstration in Gorleben machen, weil wir ein deutliches Signal an Politik und Stromkonzerne richten wollen: Wer Laufzeitverlängerungen für Atomkraftwerke fordert, obwohl die Entsorgung des Atommülls weiter ungelöst ist, wird damit nicht durchkommen. E.on, Vattenvall und Co. geht es nur um zusätzliche Gewinne. Die Risiken für künftige Generationen sind ihnen egal. Schließlich ist es keine Lösung, hochradioaktive Abfälle in eine Lagerhalle in Gorleben zu stellen, durch die der Wind pfeift. Die Haltbarkeit eines Castor-Behälters beträgt höchstens 40 Jahre, alleine die Halbwertszeit von Plutonium aber 24 000 Jahre.

Soll der Atommüll denn zurück nach La Hague? Er stammt schließlich aus deutschen Atomkraftwerken.
Entscheidend ist, dass in den AKW keine strahlenden Abfälle mehr produziert werden. Wenn die Badewanne überläuft, dreht doch auch jeder vernünftige Mensch zuerst den Hahn ab und versucht dann, den entstandenen Schaden zu begrenzten. Stattdessen verlautet dieser Tage aus dem Kanzleramt, man habe die Suche nach einem Endlager vorläufig eingestellt. Wir fordern die Einhaltung einer ganz einfachen Regel: Wer kein sicheres Endlager vorzuweisen hat, darf auch keine Atomkraftwerke betreiben. Der Betrieb der Reaktoren ohne ein Endlager ist wie Fliegen ohne Landebahn. Jede Pommesbude wird vom Gewerbeaufsichtsamt geschlossen, wenn sie ihr altes Frittenfett nicht ordentlich entsorgt.

Nach den Pannen im Atommülllager Asse ist auch Gorleben als Standort für ein Endlager wieder stärker in der Diskussion. Was spricht aus Ihrer Sicht gegen Gorleben?
Genau wie Asse hat der Salzstock Gorleben direkten Kontakt zum Grundwasser. Genau wie in der Asse gibt es in Gorleben Risse im Salz. Die Wissenschaftler, die uns erklären, Gorleben sei sicher, sind die gleichen, die das auch von der Asse behauptet haben. Ähnlich lief es in Morsleben: Angela Merkel hielt in ihrer Zeit als Bundesumweltministerin gegen alle Warnungen aus der Landesregierung Sachsen-Anhalt an der DDR-Altlast fest. Heute ist das Salzbergwerk samt Atommüll einsturzgefährdet. 2,2 Milliarden Euro Steuergelder kostet der Rettungsversuch. Vergleichbare Summen sind in Asse fällig.

Ist damit auch die Idee begraben, Atommüll grundsätzlich in Salzstöcken oder Salzbergwerken zu lagern? Was wären Alternativen?
Aus Asse lernen heißt, auf Gorleben zu verzichten. International spielt Salz kaum eine Rolle, wenn über geeignete Gesteine zur Atommülllagerung geforscht wird. Nur hier hält man daran fest, weil in Gorleben schon 1,5 Milliarden Euro verbaut wurden. Das ist eine Sackgasse. Das Problem: Wirklich sichere Alternativen gibt es nicht. Gerade deshalb fordern wir ja die Stilllegung der Reaktoren, damit der Atommüllberg nicht ständig weiterwächst.

Lässt sich mit den Protesten überhaupt etwas erreichen?
Na klar. Derzeit bricht mit dem Asse-Debakel das ganze schöne Lügengebäude von der sicheren Entsorgung in sich zusammen. Beste Chancen also, gerade jetzt den Hebel anzusetzen. Deshalb hoffen wir auch, dass sich diesmal besonders viele Menschen an den Demonstrationen in Gorleben beteiligen.

Fragen: Reimar Paul
Quelle:
Neues Deutschland