Samstag, 11. August 2007

Interview mit Sigmar Gabriel (SPD) /10.08.07

Interview der Ostthüringer-Zeitung mit Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) vom 10.08.07
Herr Gabriel, wie sparen Sie zu Hause Energie?
Bei mir zu Hause hängen Energiesparlampen, Fenster und Fassade sind nach dem neuesten Stand der Technik wärmegedämmt.
Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) lehnt Ihre Vorschläge zum Klimaschutz ab mit dem Hinweis auf 60 Milliarden Euro Kosten, die die Verbraucher bezahlen müssten. Kostet weniger Kohlendioxid so viel Geld?
Bei der Klimadiskussion wird immer vergessen, die Gegenrechnung aufzumachen. Energiesparen spart auch zu Hause viel Geld. Weil die Energiekosten in Zukunft weiter steigen werden, lohnt sich Energieeffizienz auch im Privathaushalt immer mehr.
Weiß das Ihr Kollege Glos nicht?
Offenbar hat das Wirtschaftsministerium ein Interesse daran so zu tun, als ob Klimaschutz Milliarden Euro kosten würde. Das ist ein seltsames Verständnis von der Aufgabe, um die es geht. Wir haben gemeinsam den Auftrag, ein Klima- und Energiepaket vorzulegen. Stattdessen ziehen die Vertreter des Wirtschaftsministeriums jeden Vorschlag öffentlich mit abstrusen Argumenten und Horrorzahlen durch den Kakao, ohne selbst Ideen zu entwickeln. Damit entzieht man sich der Gesamtverantwortung der Regierung für den Klimaschutz. Es kann doch nicht nur um die Gewinninteressen der Stromkonzerne gehen!
Aber Klimaschutz kostet. Weniger Kohlendioxid gibt es nur gegen mehr Geld.
Das stimmt. Aber es ist nur die halbe Wahrheit. Ein Beispiel: Intelligente neue Stromzähler kosten bundesweit vier Milliarden Euro. Damit lassen sich aber allein beim Stromverbrauch in einem Jahr bis zu fünf Milliarden Euro einsparen durch Verhaltensänderungen der Verbraucher. Daran sieht man, wie unseriös die Berechnungen des Wirtschaftsministeriums sind.
Worauf müssen sich die Verbraucher denn tatsächlich einstellen? Wollen Sie eine Klimaabgabe einführen?
Nein. Stattdesen werden wir die Förderung für Kraft-Wärme-Koppelung auf Großanlagen ausbauen. Das nutzt den Stadtwerken. Erneuerbare Energien sollen noch intensiver zur Stromerzeugung genutzt werden. Dafür muss der Stromkunde in den nächsten Jahren etwas tiefer in die Tasche greifen. Von heute einem Euro im Monat steigt der Anteil der Rechnung für Öko-Strom pro Kopf auf 1,40 Euro im Jahr 2020.
Die größten Reserven liegen aber im Privathaushalt. Was ist dort geplant?
Selbstnutzer haben ein ureigenes Interesse an einer höheren Energieeffizienz, um ihre Energiekosten zu senken. Wir wollen aber auch die Vermieter zu mehr Energieeffizienz drängen. Unterbleiben dort vorgeschriebene Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz sollen Mieter in einigen Jahren ihre zu hohen Heizkosten so kürzen können, als wären die Maßnahmen erfolgt. Über die Einzelheiten hierzu sind wir noch im Gespräch.
Thema Atomkraft: Die CDU hat Sie aufgefordert, unsichere Kernkraftwerke stillzulegen. Wann schalten Sie das erste Akw ab?
Die Betreiber haben selbst abgeschaltet. Ohne unsere Zustimmung gehen Brunsbüttel, Krümmel, Biblis A und B nicht wieder ans Netz. Zuerst müssen alle Mängel eindeutig behoben sein. Sicherheit geht vor.
RWE will die Laufzeit von Biblis A über 2008 hinaus verlängern. Wie stehen die Chancen?
Wir prüfen nach Recht und Gesetz auf Basis eines Sicherheitsvergleiches. Allerdings: Wir können doch nicht ausgerechnet die Reaktoren mit den meisten Problemen länger laufen lassen und dafür modernere AKW früher abschalten. Ich glaube auch, das ist von RWE nicht ernst gemeint. Aber Sicherheit geht vor Gewinninteressen. Hier liegt meine Aufgabe als Bundesumweltminister.
Wie viele Atomkraftwerke sind nicht gegen Terrorattacken oder Flugzeugabstürze geschützt?
Tatache ist, dass wir unterschiedlich sichere AKW haben. Es macht daher Sinn, wenig sichere früher abzuschalten. Auch darüber werde ich mit den Chefs der Stromkonzerne am 23. August sprechen.
Es gibt Probleme mit Wassereinbrüchen im Forschungsendlager Asse in Niedersachsen. Wie geht es dort weiter?
Bis Jahresende soll untersucht werden, ob wir den Atommüll dort sicher gegen das Wasser einschließen können oder die Fässer wieder herausholen müssen. Asse könnte sich zum GAU - dem größten anzunehmenden Unfall - für die Endlagerung in Deutschland entwickeln. Daraus sollten wir unsere Lehren für Prognosen über langfristige Sicherheit ziehen auch mit Blick auf den Standort Gorleben.
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