Mittwoch, 30. Juli 2008

Grüne vermuten illegale Endlagerung in Asse II / 29.07.08

Die niedersächsischen Grünen bezweifeln, dass das umstrittene Atommüll-Endlager Asse II bei Wolfenbüttel tatsächlich Forschungszwecken gedient hat. Vermutlich sei diese Behauptung nur als "Deckmantel für eine möglichst billige Entsorgung" von radioaktivem Abfall verwendet worden, sagte Fraktionschef Stefan Wenzel am Dienstag in Hannover. Seit 1965 gelte Schacht Asse als Forschungseinrichtung des Bundes, erläuterte die wissenschaftspolitische Sprecherin Gabriele Heinen-Kljajic. Dennoch seien weder die Betreiber noch das zuständige Bundesforschungsministerium in der Lage, eine Liste der in dem ehemaligen Salzbergwerk betriebenen Forschungsarbeiten oder Ergebnisse zu präsentieren. "Entweder hat sich über Jahre niemand für die Forschungen interessiert, oder (...) man hat nach einer Scheindeklarierung für ein Endlager gesucht", so Heinen-Kljajic.

Bis 1978 waren in Asse II 125.000 Behälter mit schwach und 1.300 mit mittel radioaktivem Müll unter die Erde gewandert. Forschungsarbeiten sollten zeigen, ob Salzstöcke - wie auch in Gorleben - als Endlager für Atommüll geeignet seien. Offenbar handele es sich aber nur um eine Form der "illegalen Entsorgung", sagte Heinen-Kljajic.

Fraktionschef Wenzel forderte erneut, einige der eingelagerten Fässer auf ihren Inhalt zu prüfen. In einem Speziallabor müssten 40 Behälter stichprobenartig untersucht werden, um herauszufinden, ob widerrechtlich auch hoch radioaktiver Abfall in Asse II lagere, sagte Wenzel. Die in Kammern hinter einer Betonwand verschlossenen Fässer könnten von Robotern an die Oberfläche gebracht werden, ohne Menschen zu gefährden. Wenzel appellierte erneut an die SPD-Landtagsfraktion, einem Untersuchungsausschuss zuzustimmen. Nach den jüngsten Vorfällen hätten sich die zuständigen Behörden in Widersprüche verwickelt, zu viele Fragen seien noch immer nicht geklärt.

Hochradioaktiver Atommüll in Asse II?
NDR 1 Niedersachsen 29.07.2008
Grüne vermuten illegale Endlagerung in dem Forschungsbergwerk.
Audiobeitrag Länge: 01:05 Minuten
Quelle: NDR online

Montag, 28. Juli 2008

Bundesamt für Strahlenschutz: Endlagerung ist technisch nicht gelöst /19.07.08

Behördenchef rät dazu, am Atomausstieg festzuhalten

Salzgitter - Das Bundesamt für Strahlenschutz schaltet sich in die Debatte über die Atomkraft ein. Die Behauptung, Gorleben sei als Endlager für Atommüll geeignet, scheitere aber am politischen Willen, sei falsch, erklärte der Amtsleiter Wolfram König.

Die Probleme der Endlagerung des Atommülls seien nicht gelöst, warnt das Bundesamt für Strahlenschutz in Salzgitter. "Die Risikodebatte muss öffentlich geführt werden", sagte der Behördenchef Wolfram König der "Westfälischen Rundschau". Die Endlagerung des hochgefährlichen Materials sei entgegen anderslautender Aussagen von Atomkraftbefürwortern, Politikern oder Energieversorgern nicht einmal technisch gelöst.

"Weltweit gibt es bis jetzt kein einziges Endlager für hochradioaktive Abfälle", sagte König. In Deutschland wird als mögliches Endlager für Atommüll seit 1979 nur der Salzstock Gorleben in Niedersachsen geprüft. "Es gibt bis jetzt keinen Sicherheitsnachweis für Gorleben als unterirdisches Endlager hochradioaktiven Atommülls", so König. Dafür seien noch mindestens 15 Jahre nötig.

Der Behördenchef warnte deswegen vor voreiligen Schlüssen. Die Behauptung, Gorleben sei als Endlager geeignet, aber scheitere am politischen Willen, sei falsch. "Politische Glaubensbekenntnisse zur Eignung oder Nichteignung von Gorleben können Sicherheitsnachweise nicht ersetzen." Er sprach sich dafür aus, am geplanten Ausstieg aus der Atomkraft festzuhalten.

Auch der Umweltbeauftragte der Evangelischen Kirche von Westfalen, Klaus Breyer, warnt davor, den Atomausstieg rückgängig zu machen. Nach wie vor bleibe Atomkraft ein nicht beherrschbares Risiko, sagte Breyer. Die Frage der Endlagerung sei nicht geklärt. Auch die diskutierten längeren Laufzeiten für ältere Kraftwerke sind nach Auffassung Breyers nicht dazu geeignet, das Klima zu schützen oder die Strompreise zu senken.

Unterdessen ist der Eigner des Salzstocks Gorleben mit der Klage gescheitert, sein Bergwerk weiter nutzen zu dürfen. Eine Endlagerung von Atommüll im Salzstock hat Vorrang vor dem Salzabbau, befand das Oberverwaltungsgericht Lüneburg. Das öffentliche Interesse, den Salzstock eines Tages weiter auf seine Eignung zum Atommüllendlager zu erkunden, sei durch öffentlich-rechtliche Vorschriften abgesichert, urteilte das Gericht. Das Interesse des Eigentümers an der Gewinnung von Salz sei weniger gewichtig.

Zudem erschwere die vom Eigentümer im südlichen Bereich des Salzstocks geplante Salzgewinnung die Erkundung als Endlager erheblich. Ein Bereich mit Salzgewinnung müsse weiträumig von der Erkundung ausgeschlossen werden. Eine Revision ließ das Oberverwaltungsgericht nicht zu.

Der Eigentümer des Salzstocks, Andreas Graf Bernstorff, plant die Rohstoffgewinnung im Südwesten des Salzstocks, etwa eineinhalb Kilometer vom Gorlebener Erkundungsbergwerk entfernt. Das Verwaltungsgericht Lüneburg hatte ihm in erster Instanz recht gegeben und die niedersächsischen Bergbehörden verurteilt, eine erste grundsätzliche Genehmigung zum Salzabbau zu erteilen. Dagegen legte das Landesamt für Bergbau beim Oberverwaltungsgericht Berufung ein. Die Erkundung des Gorlebener Salzstocks auf seine Eignung zum Atommüllendlager war im Juni des Jahres 2000 durch ein Moratorium unterbrochen worden.
Quelle:
Stuttgarter Zeitung online

Freitag, 25. Juli 2008

4. Atomunfall in 2 Wochen, Frankreich /24.07.08

Wieder Atom-Unfall in Frankreich
Ein weiterer Zwischenfall in einer französischen Atomanlage - der vierte binnen gut zwei Wochen - hat für Unruhe gesorgt: Im südfranzösischen Atomkraftwerk Tricastin, wurden hundert Mitarbeiter "leicht verstrahlt".

Nach der Öffnung eines Abzugsrohrs sei in einer Anlage des Reaktors radioaktiver Staub freigesetzt worden, sagte der Leiter des Atomkraftwerks, Alain Peckre, der Nachrichtenagentur AFP.

Laut der Betreiberfirma Eléctricité de France (EDF) wurden alle 97 Angestellten, die sich in dem Gebäude aufhielten, zum Betriebsarzt gebracht und untersucht. Weitere 32 Beschäftigte, die zuvor durch das Gebäude gegangen oder in der Nähe gewesen seien, seien auch untersucht worden.

Insgesamt hundert Menschen hätten "leichte" Verstrahlungen erlitten, sagte eine EDF-Sprecherin. Die Strahlenbelastung habe aber "weniger als ein Vierzigstel des Grenzwertes" ausgemacht. Das Unternehmen gehe der Ursache nach.

Die französische Atomaufsicht ASN stufte den Zwischenfall auf der Gefahrenskala von 0 bis 7 vorläufig bei 0 ein. Normalerweise würden derartige Vorfälle gar nicht veröffentlicht, erklärte ASN-Chef Jean-Christophe Niel.

Da sich aber zuletzt mehrere Zwischenfälle in französischen Atomanlagen ereignet hätten, halte die Behörde es für angebracht. In französischen Atomanlagen werden jedes Jahr hunderte Vorfälle der Stufe 0 gemeldet.

Tricastin hatte vor gut zwei Wochen über Frankreich hinaus für Schlagzeilen gesorgt, als aus einem Betrieb zur Reinigung radioaktiv verstrahlter Materialien sechs Kubikmeter uranhaltige Flüssigkeit in die Umwelt gelangten. Eine Gefahr für die Bevölkerung bestand nach Angaben der Behörden nicht.
Quelle: Bieler Tageblatt

Donnerstag, 24. Juli 2008

Campact.de: Den Ausstieg aus dem Ausstieg stoppen

Eigentlich soll der Atomausstieg endlich greifen: Vier Reaktoren stehen vor der Abschaltung. Doch die Atomlobby will längere Laufzeiten für ihre AKWs erwirken - und den Atomausstieg auf den Sankt Nimmerleinstag verschieben. Jetzt müssen wir Bürger/innen die Abschaltung durchsetzen.

Sagen Sie Nein zum Ausstieg aus dem Ausstieg! Unterzeichnen Sie diese Erklärung! Die Erklärung und die Unterschriften veröffentlicht campact.de als Anzeigen in großen Tageszeitungen und bei medienwirksamen Aktionen.

Hier geht es weiter zu campact.de, zum Unterzeichnen.

Hier geht es zu den Argumenten, "Den Ausstieg aus dem Ausstieg stoppen!"

Machen Sie mit, informieren Sie ihre Freunde und Bekannte.
Ihre Teilnahme dauert nur einen Moment.

Mittwoch, 23. Juli 2008

Wind überholt Atom /23.07.08

gelesen bei taz.de
Wie ist das wirklich mit der Renaissance der Atomkraft? In Deutschland liefern die Windanlagen inzwischen mehr Strom als die Akw. Ist das eine Ausnahme?
VON BERNWARD JANZING

In Deutschland leisten Windräder inzwischen mehr als die Atomkraftwerke: Ende Juni waren hierzulande Rotoren mit zusammen gut 23.000 Megawatt am Netz. Das teilten am Mittwoch der Bundesverband Windenergie (BWE) und der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) mit. Die 17 deutschen Atommeiler kommen zusammen auf knapp 21.500 Megawatt.

Im ersten Halbjahr 2008 wurden in Deutschland 415 Windkraftanlagen mit 800 Megawatt errichtet. Damit sind bundesweit knapp 19.900 Windkraftanlagen am Netz. Diese decken in einem mittleren Windjahr etwa 7 Prozent des hiesigen Strombedarfs. Der Anteil wird steigen, nachdem in diesem Sommer die ersten Offshore-Anlagen in der Nordsee errichtet werden.

Die meiste Windkraft hat derzeit Niedersachsen mit 5.800 Megawatt, gefolgt von Brandenburg mit 3.500 Megawatt. Den höchsten Anteil seines Strombedarfs deckt unterdessen Sachsen-Anhalt mit Wind: beachtliche 42 Prozent. Deutschland steht mit seiner Windleistung weiterhin an der Spitze weltweit. Auf den Plätzen zwei und drei folgen die USA und Spanien, die Ende 2007 Windkraftanlagen mit 16.800 Megawatt und 15.150 Megawatt installiert hatten. Der Wind-Weltmeister erzielt auch im Export große Erfolge: Am weltweiten Umsatz der Branche von 22,1 Milliarden Euro hatten deutsche Hersteller und Zulieferer im vorigen Jahr einen Anteil von fast 28 Prozent. Die Exportquote der deutschen Firmen stieg von 74 Prozent 2006 auf über 83 Prozent 2007.

Auch für das laufende Jahr sind die Perspektiven der Branche prächtig: "Für 2008 werden allein in den USA 8.000 und in China 5.000 Megawatt an neu installierter Leistung erwartet", sagt Thorsten Herdan, Geschäftsführer beim VDMA. Nach Zahlen des BWE arbeiten derzeit gut 90.000 Menschen in der deutschen Windkraft-Branche.

Trotz einer vermeintlichen Atom-Renaissance hat die Windkraft die Atomkraft auch international längst deklassiert, wenn man den Zubau betrachtet. Seit Anfang 2006 wurden weltweit rund 45.000 Megawatt Windkraft neu installiert, wie aus Zahlen der European Wind Energy Association (EWEA) hervorgeht. Zugleich lag die Leistung der neu in Betrieb genommenen Atomkraftwerke laut internationaler Atomenergiebebehörde IAEA bei lediglich 3.347 Megawatt. Rechnet man gegen, dass seither acht Atomreaktoren mit zusammen 2.236 Megawatt abgeschaltet wurden, so stieg die AKW-Leistung weltweit binnen zweieinhalb Jahren nur um 1.100 Megawatt. Im Vergleich dazu wurde 40-mal so viel Windkraft installiert.
Quelle: taz.de

Montag, 21. Juli 2008

Frankreich spielt Atomvorfälle herunter /21.07.08

Ein Artikel aus Welt online, von Jochen Hehn
Frankreich spielt Atomvorfälle herunter
Durch radioaktive Abfälle droht Verseuchung - Doch das Umweltministerium gibt Entwarnung und die Franzosen lieben ihre Kernkraftwerke

Paris - Offiziell gibt es keinen Grund zur Sorge. Auch nach dem schweren Uranunfall im französischen Atomkraftwerk Tricastin Anfang dieses Monats gilt es als unbedenklich, seinen Urlaub im Wildwasserparadies der Ardèche in Südfrankreich zu verbringen: Zwar sind die beiden Flüsschen Gaffière und Auzon mit 30 000 Liter radioaktiv belasteter Flüssigkeit verseucht, eine Verstrahlung der in der Nähe liegenden Ardèche kann aber von Amts wegen mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Beunruhigend ist es jedoch, wie die Betreiber des Kraftwerks, die Behörden und der französische Staat mit dem Unfall - und nicht nur mit diesem - umgehen.

Auch bei dem erneuten Störfall am Freitag in der Atomanlage in Romans-sur-Isère im Südosten des Landes kam sogleich die Erklärung der französischen Atomaufsicht (ASN), eine Gefahr für die Umwelt und die Mitarbeiter bestehe nicht. Die Behörde stufe das Leck, aus dem knapp 800 Gramm flüssiges Uran ausgetreten waren, auf der ersten Stufe der internationalen Bewertungsskala für nukleare Ereignisse ein. Die Skala umfasst die Stufen null bis sieben; null ist die niedrigste. Umweltminister Jean-Louis Borloo bemühte sich, die Bevölkerung zu beruhigen. Eine Überreaktion sei unangebracht. Schließlich gebe es jedes Jahr 115 "kleine Unregelmäßigkeiten" in der französischen Atomindustrie.

Ein Unbehagen bleibt. Die französische Tageszeitung "Le Monde" berichtete in einem Artikel über die Panne Anfang Juli in Tricastin, dass entgegen den ersten Versicherungen der Behörden in den Departements Drome und Vaucluse das Grundwasser auf einmal doch anormal hohe Strahlenwerte aufweise. Dies hätten neue Messungen ergeben. Doch stünden sie offenbar nicht in Verbindung mit dem Uranunfall. Ursache für die Verschmutzung könnten 770 Tonnen radioaktiver Abfall aus Militärbeständen sein, die zwischen 1969 und 1976 auf dem Reaktorgelände in der Erde verbuddelt worden sind. Erst am 4. Juli, drei Tage vor dem jüngsten Unfall, hatte die unabhängige Forschungs- und Informationskommission für Radioaktivität (Criirad) nach alarmierenden Messwerten auf die Gefahr einer drohenden Verseuchung hingewiesen. Doch anstatt den radioaktiven Müll fachgerecht zu entsorgen, wurde er mit neuer Erde zugeschüttet.

In den betroffenen Departements wurde dennoch Teilentwarnung gegeben. Die Entnahme von Grundwasser zur Bewässerung der Felder und Gärten oder zur Tierfütterung ist entlang den beiden Flüssen ab einer Entfernung von 100 Metern zu den Ufern wieder erlaubt. Angeln, Baden und andere Wassersportarten bleiben weiter untersagt. Umweltminister Borloo hat versichert, dass die Bevölkerung durch den Unfall "nicht unmittelbar" in Gefahr gewesen sei. Besteht etwa eine mittelbare Gefahr? Eine solche "Verharmlosung" erinnere an die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl vor 22 Jahren, meinte die Anti-Atomkraft-Gruppe Sortir du Nucléaire (Aus der Atomkraft aussteigen), als in Frankreich die staatlichen Behörden der Öffentlichkeit allen Ernstes mitteilten, die radioaktive Wolke, die über weite Teile Europas bis nach Spanien zog, sei am Rhein stehen geblieben. Erst im Jahr 2001 nach einer Klage 500 Krebskranker gegen die Regierung fand eine Untersuchung heraus, dass die Strahlenbelastung tausend Mal höher war als damals angegeben.

Einen ähnlichen Fall gab es in Polynesien im Südpazifik, wo nach zahlreichen oberirdischen und unterirdischen Atombombentests eine starke Zunahme von Schilddrüsenkrebs in der Region beobachtet wurde. Doch Warnungen wurden ignoriert. Noch im Jahr 2003 beteuerte der damalige Präsident Chirac, der in seinem ersten Amtsjahr trotz weltweiter Proteste die Atomtests wieder aufgenommen hatte, dass diese die Gesundheit "weder auf kurze noch auf lange Sicht" beeinträchtigen würden. Zumindest fahrlässig könnte man auch das Verhalten der staatlichen Atomaufsicht ASN bezeichnen, die unlängst nach der Veröffentlichung einer Studie über das erhöhte Krebsrisiko für Kinder in der Nähe von deutschen Atomkraftwerken erklärte, sie werde "darüber nachdenken", ob eine ähnliche Untersuchung in Frankreich "sinnvoll" sei. Ein Lob erntete ASN von der Umweltorganisation Greenpeace, als sie jetzt in Tricastin den Betrieb der defekten Entsorgungsanlage kurzentschlossen einstellte und die Betreiberfirma Socatri aufforderte, das Leitungsnetz so schnell wie möglich instand zu setzen. Dies zeige, dass die ASN gegenüber der Kernkraftlobby an Unabhängigkeit und Durchsetzungsvermögen gewonnen habe.

Ein grundlegender Wandel in der französischen Atompolitik ist aber wohl kaum zu erwarten. Eher scheint alles beim Alten zu bleiben, auch wenn Borloo jetzt in einem Interview versicherte, das Grundwasser in der Nähe aller Kernkraftwerke überprüfen zu lassen. Im Gegensatz zu Deutschland, wo Regierungen bei der Entscheidungsfindung auf die Länder und starke Interessensverbände Rücksicht nehmen müssen, besteht in Frankreich in dieser Frage seit Langem ein breiter Konsens über alle Parteigrenzen hinweg. Wie Chirac setzt auch sein Nachfolger Nicolas Sarkozy hauptsächlich auf die Atomkraft. Frankreich steht mit 59 Kernkraftwerken, die 76,8 Prozent des Stroms erzeugen, in Europa klar an der Spitze.

Nukleare Störfälle und Pannen, 40 allein im letzten Jahr in Fessenheim (Elsass), dem ältesten aller Kernkraftwerke, scheinen die französische Bevölkerung nicht gegen die Atompolitik der Regierung aufzubringen. Offenbar teilen sie die Argumentation von Sarkozy, dass die Atomtechnik das Heilmittel zur Rettung vor der Klimakatastrophe sei, was der Präsident kürzlich auch auf dem G-8-Gipfel in Japan betonte. In ihrer tief verwurzelten Technikgläubigkeit neigen sie dazu, die Möglichkeit menschlicher Irrtümer nicht so ernst zu nehmen. Angesichts steigender Treibstoff- und Gaspreise schieben zudem immer mehr Franzosen den Gedanken an einen Atomausstieg weit von sich. Während in Deutschland seit Jahren Zehntausende gegen nukleare Endlager oder Castor-Atommülltransporte von der französischen Wiederaufbereitungsanlage La Hague nach Gorleben protestieren, vermögen sich in Frankreich vergleichsweise wenige Menschen darüber aufzuregen. Mehrfach gab es hingegen Protest von Gemeinden, die bei der Auswahl für den Standort eines Kernkraftwerks übergangen wurden. So geschehen im Jahr 2004, als für den Bau des neuen Druckwasserreaktors vom Typ EPR (European Pressurized Water Reactor) die Gemeinde Flammanville in der Normandie den Zuschlag erhielt. Der Bürgermeister der neuen Kernreaktorgemeinde krähte vor Freude, sein Amtskollege aus der Küstenstadt Dieppe war untröstlich darüber.
Quelle: Welt online

Sonntag, 20. Juli 2008

BI-Lüchow-Dan:"Das Mehrfachbarrierensystem bricht ein" /20.07.08

Ein Bericht aus dem Lüchow-Dannenberger General-Anzeiger vom 20.07.08
Björn Vogt


Wie die Bürgerinitiative Umweltschutz (BI) berichtet, steht die Endlagerkonzeption für Gorleben offensichtlich vor einer wesentlichen Änderung. Obwohl die Bauarbeiten auf der Endlagerbaustelle bis zu einem Ablauf des Moratoriums ruhen und die Entscheidung offen sei, ob alternativ zu Gorleben nicht auch andere Standorte und Gesteinsformationen als Salz auf eine Eignung hin untersucht werden, erprobe die Gorleben-Betreiberin, die Deutsche Gesellschaft zum Bau und Betrieb von Endlagern (DBE), die Endlagerung hochradioaktiver Abfälle im Salzgestein. Hochradioaktive Abfälle - Brennelemente und verglaster Müll - sollen laut BI nun als Kokillen ohne weitere Abschirmung in Bohrlöchern versenkt werden. Damit entfiele eine der vier Barrieren, die ein Austreten von Radioaktivität in die Biosphäre verhindern sollen. Auf entsprechende Versuche verwies der Diplomphysiker Wolfgang Neumann (Gruppe Ökologie Hannover) auf einer Veranstaltung von Bürgerinitiativen aus dem Raum Asse, Salzgitter und dem Wendland, die sich am Wochenende zu einem zweitägigen Fachkonferenz in Lüchow trafen.

Die DBE erprobe in ihrer Versuchsanlage in Landsbergen/ Weser, einem alten Kohlekraftwerk, das Hantieren mit den sogenannten BSK-3-Kokillen. Bisher sollten die Castorbehälter nach einer längeren Lagerzeit - die Castoren sind lediglich Transport- und Lagerbehälter - in der Pilot-Konditionierungsanlage (PKA) Gorleben entladen und in Pollux-Behälter - die Endlagerbehälter - umgepackt werden.

Die dickwandigen Pollux-Behälter galten als erste Barriere in einem Mehrfachbarrierenkonzept bei der Endlagerung radioaktiver Abfälle. Nun würden lediglich Abschirmungen beim Hantieren mit den BSK-3-Kokillen verwandt, um die Strahlenbelastung des Personals zu minimieren, erfuhren die Seminarteilnehmer. Auf ein Zerschneiden der Brennstäbe würde verzichtet, diese würden in voller Länge im Salzgestein eingelagert - am Ende behälterlos.

Die Barriere Deckgebirge hat bei der Endlagersuche eine wichtige Funktion.
Der Hannoveraner Geologe Dr. Detlef Appel unterstrich, dass das Deckgebirge über dem Salzstock Gorleben keinen zuverlässigen Rückhalt gäbe, wenn radioaktiv belastete Lauge über Wasserwegsamkeiten aus dem geplanten Endlager in die Biosphäre ausgepresst würden. Das mögliche Zusammenspiel von wasserführenden Zonen, insbesondere dem Hauptanhydrit, in genau den Tiefen, in denen hochradioaktiver Müll im Salz versenkt werden soll, mit wasserleitenden Schichten im „desolaten Deckgebirge", sei ein großes Manko des Salzstocks. „Aus meiner geowissenschaftlichen Sicht ist Gorleben nicht eignungshöffig", warnte der Referent.

Dazu käme, dass es noch keine vergleichende Untersuchung verschiedener Standorte gegeben habe, das Auswählverfahren Gorleben sei nicht nachvollziehbar. Dr. Appel: „Es gibt keine Verfahrensgerechtigkeit".

Die Havarie der Atommüllendlager Asse II und in Morsleben - dort bricht Wasser ein - und das Aufweichen der Sicherheitsanforderungen an die Endlagerung radioaktiver Abfälle bestimmten die Debatte unter den 60 Seminarteilnehmerinnen. „Der Verzicht auf zwei von vier Sicherheitsbarrieren ist, wenn Lehren aus Asse II und Morsleben gezogen werden, ein Vabanquespiel", resümiert die Bürgerinitiative.

„In die Asse bricht Lauge , in Gorleben brechen die Sicherheitsbarrieren ein." Die Debatte um Sicherheitskriterien bei der Endlagersuche werde man auf dem Symposium Ende Oktober, zu dem der Bundesumweltminister Sigmar Gabriel verschiedene Akteure einlädt, argumentativ und demonstrativ führen. „Wir wollen dafür sorgen, dass Gorleben mit Ablauf des Moratoriums endgültig aufgegeben wird", so ein Bl-Sprecher: „Die Aufklärung über die ungelöste Atommüllentsorgung und über die Mär vom billigen und angeblich sauberen Atomstrom wird in eine bundesweite Demonstration zum Atomausstieg Anfang November in Gorleben münden: dann erwarten die Atomkraftgegner im Wendland, gewappnet mit Argumenten und Aktionsideen, den nächsten Castortransport aus der französischen Wiederaufarbeitungsanlage La Hague."

Frankreich: Erneut Leck in Atomanlage /19.07.08

Frankreich: Erneut Leck in Atomanlage

Knapp zwei Wochen nach dem Uranunfall in Frankreich ist erneut ein Zwischenfall bei einer Anlage des Atomkonzerns Areva bekanntgeworden.
Aus einer bereits seit Jahren beschädigten unterirdischen Abwasserleitung sei Uran in die Umwelt gelangt, teilte die Behörde für Atomsicherheit ASN in Paris mit. Gefahr für die Bevölkerung bestehe jedoch nicht, da es sich lediglich um wenige hundert Gramm handle. Die Anlage in Romans-sur-Isere südlich von Lyon gehört dem franko-belgischen Unternehmen FBFC, einer Filiale von Areva. Am Vortag hatte Areva den Chef der Atomanlage Tricastin entlassen, wo kürzlich mindestens 74 Kilo Uran in mehrere Wasserläufe gelangt waren.
Der Vorfall in Tricastin war auf Stufe eins der siebenstufigen Alarmskala als relativ harmlos eingestuft worden. Er weise jedoch auf gravierende Sicherheits- und Kommunikationsmängel in dem Unternehmen hin, heißt es in einer internen Studie, die die Zeitung „Figaro" zitierte. Der Schaden sei dem Unternehmen bekanntgewesen, aber nicht rechtzeitig behoben worden. Bei der Untersuchung nach dem Unfall von Tricastin war zudem Uran im Grundwasser festgestellt worden, das bereits früher in die Umwelt gelangt sein muss.

Samstag, 19. Juli 2008

Video: extra3 - Keine Angst vorm Atom

Dieses Video ist bei YouTube online gestellt worden.
Satire Clip von extra3, NDR. 2min
Dieser Beitrag wurde am 19.07.2007 im N3 gesendet.

Atom-Endlager: Focus online /18.07.08

Ein Artikel aus Focus online WISSEN vom 18.Juli 2008

Wer „A“ wie „Atomkraft“ sagt, muss auch „E“ wie Endlagerung sagen. Eine neue Suche nach einem geeigneten Standort hat begonnen.
Von FOCUS-Online-Autor
Wolfgang Müller

Das Klimaproblem drängt, das Öl wird immer teurer. Atomkraft scheint einen Ausweg zu bieten: Die Kernenergie spare CO2, sei sicher und obendrein günstig, sagen ihre Befürworter. Derweil ist das Problem der Endlagerung hochradioaktiven Atommülls weiter ungelöst. Eine vom Umweltministerium neu einberufene Expertenkommission soll einen geeigneten Standort finden. Vorher gilt es allerdings, den Unfall im Altlager „Asse2“ aufzuklären, der neue Zweifel an der Sicherheit von Speichern aus Salzgestein aufkommen lässt.

Der politische Konsens über den Atomausstieg aus dem Jahr 2000 gerät ins Wanken. „Wir brauchen eine Energiepolitik, die für ein Industrieland angemessen ist. Und dazu gehört auch die Weiternutzung der Atomenergie“, sagte Günter Beckstein (CSU) am 16. Juli der „Welt“. Der Bayerische Ministerpräsident sprach bislang nicht von der Endlagerproblematik. Dies tat die CDU-Umweltexpertin Marie-Luise Dött am 14. Juli im ZDF-„Morgenmagazin“. Mit Blick auf die unterbrochenen Eignungstests für das Endlager in Gorleben sagte sie: „Ich bin dafür, dass wir dieses Moratorium sofort beenden.“ Gorleben sei „ein Salzstock, der 200 Millionen Jahre besteht und die Wissenschaft sagt, es ist nichts verschoben worden und nichts unsicher geworden“.

Das Moratorium hatte im Oktober 2000 die rot-grüne Bundesregierung ausgesprochen. Es ist als eine selbst auferlegte Besinnungsphase zu verstehen, um dem fortgeschrittenen Stand der Technik bei der Lagerauswahl gerecht werden zu können. Diese Phase sollte im Jahr 2010 enden. Im Auftrag der Bundesregierung hatte das Bundesamt für Strahlenschutz im Salzstock von Gorleben (Niedersachsen) von 1979 bis 2000 ein „Erkundungsbergwerk“ betrieben. Ziel war die geologische Prüfung des Salzgesteins als umgebende Schicht für strahlenden Müll.

Gorleben ohne systematischen Standortvergleich ausgewählt

Nach dem Aufschub für weitere Forschungen in Gorleben begann die Arbeit an neuen, wissenschaftlich fundierten Auswahlkriterien für deutsche Endlagerstandorte. 1999 berief das Bundesumweltministerium unter Jürgen Trittin (Grüne) dazu den Arbeitskreis Auswahlverfahren Endlagerstandort (AkEnd) ein. Mit dabei war Gerhard Jentzsch von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Der 61-jährige Lehrstuhlinhaber für angewandte Geophysik beschäftigt sich seit mehr als 18 Jahren mit der Standortsicherheit von Kernkraftwerken und Nuklearanlagen.

Die Eignung von Gorleben als Endlager sah die Expertengruppe weder als endgültig bewiesen noch endgültig widerlegt an, erinnert sich Jentzsch. „Wir haben gesagt, wir schließen Gorleben nicht aus, sondern können den Standort bei der Suche miteinbeziehen. Wir wollten jedoch mindestens zwei Bergwerke zum Vergleich haben. Damals hieß es, wenn Gorleben dabei das Rennen macht, wäre es Glück.“ Im Fall Gorleben habe es nie einen systematischen Standortvergleich mit vorher festgelegten Sicherheitskriterien gegeben, kritisierte jüngst der Präsident des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS), Wolfram König, in einem Gespräch mit dem Berliner „Tagesspiegel“. Der Vorschlag, Gorleben als Endlagerstandort ins Auge zu fassen, kam einst von der Landesregierung Niedersachsen.

Gerhard Jentzsch hat seit Juni 2008 eine neue Aufgabe. Er folgte einem Ruf des Bundesumweltministeriums und ist Mitglied der „Entsorgungskommission“ (ESK). Die Hauptaufgabe des unabhängigen Expertengremiums: Die Suche nach einem sicheren Endlager in Deutschland. 12 500 Tonnen an hochradioaktiven Brennelementen aus Kernreaktoren sind nach Angaben der Strahlenschutzbehörde bislang angefallen. Pro Jahr und Atomkraftwerk kommen 30 Tonnen hochradioaktiven Mülls hinzu. Wo dieser Sondermüll einmal endgültig landen wird, ist derzeit ungeklärt. Derzeit befindet sich ein Teil in über Deutschland verstreuten Zwischenlagern, einige Brennstäbe wurden aufwendig wiederaufbereitet.

Unterdessen bereiten alte Atommülllager neue Probleme. Der Unfall im Forschungsbergwerk „Asse 2“ bescherte der neuen Entsorgungskommission gleich einen dringenden Auftrag. Am 10. Juni 2008 war in dem ehemaligen Salzbergwerk bei Wolfenbüttel der Fund von kontaminierter Salzlauge bekannt geworden. Im niedersächsischen Salzgestein waren von 1967 bis 1978 rund 130 000 Fässer mit schwach- bis mittelstark strahlendem Atommüll eingelagert worden. Noch ist nach Aussage von Kommissionsmitglied Jentzsch unklar, wie genau Wasser aus den umliegenden Gesteinsschichten in den Salzstock eintreten und als mit dem Mineral vermengte und verstrahlte Lauge in einer Bergwerkskammer in 750 Metern Tiefe wieder austreten konnte. „Wir wissen nicht, woher dieser Wasserzutritt kommt“, sagt er.

Die neuen Probleme zeigen: Auch Salzstöcke wie Asse und Gorleben sind als Endlager nicht von Vorneherein als völlig unbedenklich einzustufen. „Ich denke, das, was in der Asse passiert ist, nährt die Zweifel an Gorleben“, sagt Jentzsch, und fügt hinzu: „Die Aussage, dass es im Salz kein Wasser gibt, kann man nicht stehen lassen.“ Auch auf ein anderes mögliches Problem weist der Geophysiker hin: Hochradioaktive Stoffe geben sehr viel Wärme ab. Deswegen müssten sie vor einer Lagerung gekühlt werden. „Bei Temperaturen ab 200 Grad beginnt Salz zu fließen, das heißt, es wird zunehmend plastisch. Gelagerte Abfälle werden ganz eng eingeschlossen. Wenn diese aber zu viel Wärme abgeben, können sie durch den Salzstock hindurchwandern.“
Quelle:
Focus online

Samstag, 12. Juli 2008

Jochen Stay: Ein Atomkraftwerk ist kein Schnäppchenmarkt /10.07.08

Billiges Versprechen
Die Produktionskosten von Atomstrom sind zwar geringer als die von herkömmlichem Strom. Doch billig wird Atomenergie trotzdem nicht verkauft.

von Jochen Stay

Die Atomkraft wird zum Wahlkampfthema, denn die Stromkonzerne RWE, Eon, EnBW und Vattenfall drängen auf Laufzeitverlängerungen für ihre alten AKW. CDU und FDP kündigen an, im Falle eines Sieges bei der Bundestagswahl im kommenden September wieder auf die Atom­energie zu setzen, und begründen dies neuerdings mit den drastisch steigenden Energiepreisen. Jeder, der an einer Tankstelle über den teuren Sprit klagt, soll mit der Verheißung von billigem Atomstrom gelockt werden, auch wenn sich, wie der Bundes­umweltminister Sigmar Gabriel immer wieder betont, Autos nicht mit Uran-Brennstäben antrei­ben lassen.

Elektrizität aus abgeschriebenen Altreaktoren ist in der Tat billiger herzustellen als Strom aus Gas oder Kohle. Doch der Verkaufspreis für den gesamten Strom wird an der Leipziger Strombörse festgesetzt und richtet sich nach dem Preis, den die Kraftwerke mit den höchsten Produktionskosten verlangen. Somit zahlt also der Verbrau­cher denselben Preis für Atomstrom wie für Strom aus anderen Kraftwerken, und die AKW-Betreiber streichen die Differenz alleine ein. Das macht für jeden der 17 laufenden Meiler einen jähr­lichen Gewinn von 200 bis 300 Millionen Euro. Der Atomkonzern RWE hat errechnet, dass eine Verlängerung der Laufzeiten auf 50 bis 60 Jahre noch einmal zusätzlich 250 Milliarden Euro in die Kassen der vier großen Energieunternehmen bringen würde.

Abenteuerliche Konzepte machen unter den Ato­mikern bei CDU und CSU die Runde. So soll ein Teil der durch längere Reaktor-Laufzeiten erzielten Erlöse zur Entlastung sozial schwacher Haushalte beitragen. CDU-Generalsekretär Roland Pofalla will »einen beachtlichen Teil« der Gewinne zur Senkung der Energiepreise verwenden.

Die kurze Haltbarkeit solcher Versprechen wurde in der Diskussion um die Idee der SPD deutlich, die eine Steuer von einem Cent pro Kilowatt­stunde auf Kernbrennstoffe erheben will. »Eine Sondersteuer auf Atomstrom kommt nicht in Frage«, meint der baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger. Diese Idee sei »reine Ideologie«, Atomenergie sei im »Energiemix« ein unverzichtbarer Bestandteil und dürfe nicht belastet werden.

Dass die Energie aus den AKW derzeit als preiswerte Alternative dargestellt werden kann, hat einen einfachen Grund: Seit Beginn des Atomzeit­alters hat der Staat nicht nur die ökonomischen Risiken der Stromerzeugung mittels Kernspaltung abgedeckt, sondern große Teile des Atomprogramms gleich selbst finanziert.

Insbesondere das schmutzige Ende der Atomwirt­schaft fällt kaum denen zur Last, die jetzt daran verdienen. Der Bau von Forschungsreaktoren wur­de in der Bundesrepublik bisher mit 20 Milliarden Euro subventioniert. In gescheiterte Atomprojekte wie Wackersdorf, Kalkar und Mülheim-Kärlich flossen neun Milliarden Euro öffentliche Mittel. Die Sanierung der Uranabbaugebiete in Thüringen und Sachsen hat nach der Wiedervereinigung 6,6 Milliarden Euro Steuergelder verschlungen. Der 1990 begonnene »Rückbau« einer kleinen Pilotanlage zur Wiederaufarbeitung von Atommüll in Karlsruhe dauert voraussichtlich noch bis 2019 und kostet drei Milliarden Euro, wo­von staatlicherseits 2,5 Milliarden übernommen werden. Der Abriss der DDR-Atomkraftwerke in Greifswald kostet den Staat 3,7 Milliarden Euro. Dem Finanzminister sind bisher durch die steuerfreien Gewinne der Atomwirtschaft 23 Milliarden Euro entgangen, weil die Konzerne diese Summe als Rückstellungen für die »Entsorgung« deklariert, aber nicht wirklich zurückgelegt, sondern damit Firmenkäufe im In- und Ausland finanziert haben.

Betrieb und Stilllegung des einsturzgefährdeten »Endlagers« für schwachaktiven Müll in Mors­leben (Sachsen-Anhalt) haben die Bundesrepublik bisher 1,2 Milliarden Euro gekostet. Die Auf­wen­dungen für die Polizeieinsätze bei Anti-Atom-Demonstrationen und zur Durchsetzung der Castor-Transporte liegen insgesamt bei etwa drei Milliarden Euro. Der Betrieb des absaufenden »Probe-Endlagers« Asse beläuft sich derzeit zwar auf vergleichsweise geringe 100 Millionen Euro jährlich. Müssen die 126 000 Fässer mit schwach- und mittelradioaktivem Atommüll allerdings wieder herausgeholt werden, bevor die strahlende Suppe im Grundwasser ankommt, dann werden auch hier noch etliche Milliarden fällig.

Das Bundeswirtschaftsministerium rechnet bei einem Super-Gau in einem deutschen Reaktor mit einem volkswirtschaftlichen Gesamtschaden von 5 000 Milliarden Euro. Versichert sind die Atomkraftwerke nur bis zu 2,5 Milliarden Euro, al­so gerade mal 0,5 Promille der möglichen Schadenssumme. Den Rest des Risikos trägt der Staat. Keine Versicherung der Welt ist bereit, diesen Schaden abzudecken. Und würde sich eine finden, wäre sie so teuer, dass Atomstrom unverkäuflich wäre. Bleibt noch zu erwähnen, dass hierzulande auf die Brennstoffe Öl, Gas und Kohle Steuern erhoben werden, der Kernbrennstoff Uran dagegen steuerbefreit ist.

Der Neubau von Atomkraftwerken, in vielen Ländern der Welt angekündigt, kommt nur sehr schleppend in Gang. Zwar äußern etliche Regierungen den Wunsch nach neuen Meilern, aber kaum ein Bauprojekt findet Finanziers aus der Wirtschaft. Nur wenn der Staat die Risiken abdeckt, wie in Russland, China oder Indien, kommt ein Neubauprogramm zustande. Auch der Vorzeigebau im finnischen Olkiluoto, wo erstmals seit vielen Jahren ein neues AKW in Europa entsteht, ist nur möglich, weil Herstellerfirmen wie Siemens und die französische Areva-Gruppe den Reaktor zu einem Festpreis von 3,2 Milliarden Euro ab­geben, obwohl die Kosten inzwischen auf fast fünf Milliarden Euro angewachsen sind. Allein der bayerische Elektrokonzern wird mit diesem Projekt ein Minus von 500 Millionen Euro machen. Und selbst die Basis-Baukosten des »Millionengrabs« (FAZ) werden durch einen Exportkredit der französischen Regierung abgesichert und durch das Darlehen über 1,95 Milliarden Euro, das von einem Bankenkonsortium unter der Leitung der Bayerischen Landesbank gewährt wird, die zu 50 Prozent dem Freistaat Bayern gehört. Der Zinssatz beträgt dabei übrigens 2,6 Prozent.

Würde man die in Olkiluoto verpulverten fünf Milliarden Euro in Klimaschutzprojekte stecken, beispielsweise Energiesparmaßnahmen, dann ließe sich damit weitaus mehr, weitaus schneller und weitaus sicherer CO2 einsparen als durch den strahlenden »Klimaretter« aus dem Hause Siemens.

Den wichtigsten Beitrag zur aktuellen Diskussion um den angeblich billigeren Atomstrom und die Entlastungen für Privathaushalte durch die Laufzeitverlängerung von AKW lieferte diese Woche Holger Krawinkel, der Energiefachmann des Bundesverbands der Verbraucherzentralen. Er rechnete den Anhängern des Atomstroms rund um Kanzlerin Angela Merkel vor, wie groß die Entlastung wirklich wäre, würden zwei Drittel der Reaktoren zehn Jahre länger laufen als ursprünglich geplant. Für jede auf diese Weise zusätzlich produzierte Kilowattstunde Atomstrom legte er den Preisunterschied zum fossilen Strom als zusätzlichen Gewinn an, teilte ihn zwischen Konzernen und Verbrauchern auf und kam so zu einer Ersparnis von etwa 50 Cent pro Monat für einen Durchschnittshaushalt. Aufgrund dieser nie­drigen Summe zog Krawinkel das Fazit: »Schon der Austausch einer 60-Watt-Glühbirne durch eine gleich helle 11-Watt-Energiesparlampe bringt aber bereits eine Ersparnis von 60 bis 90 Cent pro Monat.«
Quelle:jungle-world.com

Samstag, 5. Juli 2008

Die Asse, Pilotprojekt zum geplanten Endlager Gorleben säuft ab. /03.07.08

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Ein TV-Beitrag des WDR Monitor vom 03. Juli 08, 8min.
Bericht: Jochen Leufgens, Markus Zeidler.

Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass in dem atomaren "Versuchsendlager" Asse bei Braunschweig radioaktives Cäsium 137 gemessen wurde, weit über der Freigrenze. Aber der Betreiber hielt es nicht für erforderlich, die Öffentlichkeit zu informieren. Misslungene Informationspolitik hat durchaus Tradition an der Asse: Lange wurde ein mögliches Absaufen des Schachtes als unmöglich bezeichnet, aber genau das droht jetzt. Der Betreiber möchte das Atomlager daher so schnell wie möglich schließen. Doch die Experten warnen vor diesem Konzept wegen unkalkulierbarer Folgen für die Umwelt. Die Diskussion um die Endlagerfrage ist neu entbrannt, denn der Schacht Asse galt als Pilotprojekt für das Atomendlager in Gorleben.
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