Samstag, 10. Oktober 2009

Keine Stromlücke in der Versorgung /9.10.09

Längere Laufzeiten für alte Atomkraftwerke werden für Energiekonzerne letztlich teurer, haben Wissenschaftler nachgerechnet. Die Stromversorgung hierzulande sei auch ohne die alten Meiler gesichert.

Für eine sichere Stromversorgung braucht Deutschland laut einer neuen Studie weder längere Laufzeiten von Atomkraftwerken noch zusätzliche Kohlekraftwerke. Bereits heute gebe es Strom-Überschüsse, die durch die konventionellen Kraftwerke produziert werden und zu einem teilweise massiven Verfall des Strompreises führen, heißt es in einer Untersuchung des Solar-Instituts Jülich und der Fachhochschule Aachen.

Die Stromkonzerne ließen ihre unflexiblen Großkraftwerke auch dann weiterlaufen, wenn die erneuerbaren Energien den Großteil des Strombedarfs schon abdecken können, heißt es in dem Papier, das die Deutsche Umwelthilfe am Freitag in Berlin vorstellte. Beispielsweise sei durch den Überschuss am vergangenen Sonntag der Strompreis an der Leipziger Strombörse acht Stunden hintereinander auf unter null Euro gefallen. Diese Entwicklung werde letztlich dazu führen, dass die Stromkonzerne immer tiefer in die Tasche greifen müssen, damit ihnen jemand innerhalb oder außerhalb Deutschlands den Überschussstrom abnimmt.

Stromspeicher und - Verbund
«Dieses Gutachten entlarvt das Gerede von der drohenden Stromlücke endgültig als interessengeleitete Stromlüge der Atomkonzerne», sagte Umwelthilfe-Bundesgeschäftsführer Rainer Baake. Gebraucht würden zunächst für eine Übergangszeit mehr flexible und hocheffiziente Gaskraftwerke, die die naturgemäß schwankende Stromproduktion durch erneuerbare Energien ausgleichen können. Später könnten zudem Stromspeicher und ein internationaler Stromverbund für den notwendigen Ausgleich sorgen.

In einem Entwurf des Koalitionsvertrags zwischen Union und FDP zu den Themen Umwelt und Energie heißt es dagegen, Kernenergie sei vorerst unverzichtbar. «Daher wird die Laufzeitbefristung der deutschen Kernkraftwerke auf 32 Jahre aufgehoben. Die Laufzeiten werden stattdessen anhand von Sicherheitsanforderungen an die Anlagen bestimmt.»

Schutz gegen Absturz
Union und FDP wollen auf «intensive staatliche Überwachung» und Sicherheitsüberprüfungen setzen. «Unter anderem dürfen ältere Anlagen mittelfristig nur weiterbetrieben werden, wenn sie einen baulichen Schutz gegen Flugzeugabsturz vergleichbar dem der neuesten Anlagen aufweisen», heißt es weiter. Einige ältere Kraftwerke, die nach dem rot-grünen Atomausstiegsgesetz in den nächsten Jahren vom Netz gehen sollen, haben diesen Schutz nicht.

Die Nachrüstung gilt als sehr teuer und technisch schwierig. Allerdings könnte «mittelfristig» bedeuten, dass die Meiler noch einige Jahre unbehelligt weiter produzieren dürfen. Davon würden Kraftwerke wie Biblis A und B, Neckarwestheim 1 und Brunsbüttel profitieren, die laut Atomkonsens bald abgeschaltet werden müssten.

Zusatzgewinne für Erneuerbare
Die Hälfte der von längeren Laufzeiten der alten Kraftwerke erwarteten Zusatzgewinne soll nach dem Willen von Union und FDP abgeschöpft werden. Sie sollen «nachvollziehbar und verbindlich» in erneuerbare Energien, Effizienz und neue Kraftwerks-, Netz- und Speichertechnologien fließen. Zur Umsetzung soll die Regierung eine «verbindliche Vereinbarung» mit der Industrie treffen. Nicht genannt ist die Absicht, das Geld auch für Strompreissenkungen zu nutzen. Dafür hatten sich vor der Wahl beide Seiten eingesetzt. Am Freitag wiederholte die Junge Union die Forderung.

Für alle Entwürfe der Arbeitsgruppen gilt: Beschlossen werden sie erst am Ende der Koalitionsverhandlungen. Den Erkundungsstopp für den Salzstock Gorleben wollen Union und FDP wie bereits angekündigt unverzüglich aufheben. Die Erkundung soll «ergebnisoffen fortgesetzt» werden. Allerdings betrachten die Koalitionspartner den niedersächsischen Standort nicht mehr exklusiv: «Parallel dazu sind Vorbereitungen dafür zu treffen, dass im Fall der Nichteignung von Gorleben rasch Alternativen zur Verfügung stehen.»
Quelle: Netzzeitung