Mittwoch, 23. April 2008

Bergamt warnte bereits 1963 vor Flutung des Atommüllagers Asse /23.04.08

Von Reimar Paul
Im Streit um die Schließung des vom Absaufen bedrohten Atommüllendlagers Asse im Kreis Wolfenbüttel in Niedersachsen haben Atomkraftgegner eine überraschende Entdeckung gemacht: Die aktuellen Pläne von Betreibern und Behörden für eine Flutung des Bergwerks stehen in krassem Gegensatz zur früheren Auffassung des verantwortlichen Amtes. »Das ist schon ein dickes Ding«, sagte eine Sprecherin des Göttinger Anti-Atom-Plenums am Dienstag gegenüber junge Welt.

Tatsächlich hatte sich das Oberbergamt Clausthal-Zellerfeld (heute: Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie) im Jahr 1963 explizit gegen eine Flutung ausgesprochen. In einer »Besprechungsnotiz« vom 5.12.1963, die das Anti-Atom-Plenum aus Archiven ausgrub, wird der damalige Oberbergamtsdirektor Börger mit der Aussage zitiert, daß nach der Einlagerung von Atommüll »der Schacht mit festem Füllstoff verfüllt werden muß«. Zur Begründung verweist Börger auf die schon damals beobachteten Wasserzuflüsse ins Bergwerk Asse.

Ab 1967 wurde schwach und mittelradioaktiver Atommüll in das stillgelegte Salzbergwerk gebracht. Insgesamt liegen dort rund 126000 Fässer – die Abfälle stammen aus Krankenhäusern, Forschungseinrichtungen und kerntechnischen Anlagen. Inzwischen warnt selbst Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) vor einer Katastrophe. Der Grund sind Laugenzuflüsse aus unbekannter Quelle, mittlerweile sickern täglich rund 13 Kubikmeter in die Grube.

Betreiber des Endlagers Asse ist das Helmholtz-Zentrum München (vormals GSF). Dem von Bund und Ländern finanzierten Forschungszentrum, das Warnungen vor einem Vollaufen des Bergwerks lange Zeit in den Wind geschlagen hatte, kann es nun mit einer Schließung des Endlagers gar nicht schnell genug gehen. Die Helmholtz-Ingenieure wollen die Grube mit einer von ihnen als »Schutzfluid« bezeichneten Magnesiumchlorid-Lösung fluten und auf diese Weise stabilisieren.

Kritiker warnen eindringlich vor einer solchen Maßnahme. Die strahlenden Abfälle wären dann nämlich nie mehr zugänglich und kontrollierbar. Sie fordern statt dessen, daß alle Optionen für eine Schließung nach wissenschaftlichen Kriterien verglichen werden – auch das Ausgraben des Atommülls aus den Kammern des Salzstocks.

Über den Antrag des Helmholtz-Zentrums für eine Flutung muß das Landesbergamt entscheiden. Der Bund und das Land Niedersachsen haben angekündigt, bis zum Herbst die Maßnahmen zur dauerhaften Schließung des Endlagers Asse zu prüfen – eine Verfüllung mit Feststoffen ist offiziell nicht dabei.

Bürgerinitiativen vor Ort bemängeln, daß bereits mit dem Bau sogenannter Strömungsbarrieren im Bergwerk begonnen wurde. Diese Maßnahme sei eine Vorbereitung zur Flutung, kritisieren die Umweltschützer. Unklar ist auch, in welchem rechtlichen Umfeld die Schließung von Asse erfolgt. Das Helmholtz Zentrum hat ein Verfahren nach dem Bergrecht beantragt, die Anwohner hätten dann weniger Mitspracherechte. Eine Tischlerin aus einer Nachbargemeinde will dagegen mit einer Klage ein atomrechtliches Verfahren mit mehr Bürgerbeteiligung erzwingen.
Quelle:
jungewelt.de