Vor 30 Jahren entstand die Republik Freies Wendland – ein Lebensentwurf für eine Welt ohne Atomkraft
von Reimar Paul
Die alten Flugblätter und Fotobände über die Platzbesetzung im Gorlebener Wald vor 30 Jahren stapeln sich fast einen Meter hoch. Der »Atom Express«, eine Zeitung von Initiativen gegen Atomanlagen, berichtete damals im Frühjahr 1980: »Am Wochenende des 3. Mai zogen Hunderte junger Menschen aus dem Landkreis, Landwirte, Handwerker, Schüler, Studenten, verstärkt durch auswärtige Freunde zur Bohrstelle 1004. Die Menge wuchs und wuchs, bis es Tausende waren, und sie griffen zu Säge, Hammer, Beil und Nägeln und errichteten auf dem vernichteten Kulturboden die Republik Freies Wendland.«
Auf sandigem Boden, an der Stelle, wo eine Atommülllagerstätte gebaut werden soll, entstehen Dutzende Häuser aus Baumstämmen, Stroh und sogar aus Glas. Auch ein großes Rundhaus für Versammlungen, eine Batterie von Latrinen und ein Passhäuschen mit Schlagbaum, wo die Wendenpässe ausgestellt werden und über dem die grün-gelbe Wendlandfahne flattert. »Es gab Energiesparhäuser mit Heizung aus Flaschen, die sich in der Sonne erwärmten und nachts die Wärme nach innen abgaben. Es gab eine Großküche, eine Krankenstation, eine Kirche und eine Badeanstalt mit holzbeheizter Badewanne«, erinnert sich der Fotograf Günter Zint. In den ersten Tagen bringt ein Bauer Wasser in einem großen Tank ins Hüttendorf. Später wird eine Bohrung niedergebracht, das Wasser gelangt nun mittels einer Handpumpe ins Dorf. Das »Nordrhein-Westfalen-Haus« ist eine Reihenhausanlage aus fünfeckigen, wabenförmig zusammenhängenden Hütten mit kleinen Innenhöfen. Das »Haus der Architekten« besteht fast ausschließlich aus Glasfenstern und -türen. »Hackys Loch« ist nichts weiter als eine mehrere Meter tiefe Erdhöhle. Das »Fritz-Teufel-Haus« muss für die Anschuldigung des Lüneburger Regierungspräsidiums herhalten, die Republik Freies Wendland sei ein Refugium für Terroristen. Auch die beiden Türme im Dorf bieten Anlass zu Stimmungsmache. »Dort oben haben sie Wachs für die Bullen«, zitiert die »Bild« einen fiktiven Dorfbewohner.
An den Wochenenden werden die 500 bis 700 ständigen Besetzer von tausenden Besuchern förmlich überrollt. Das Dorf wird zur touristischen Attraktion für Familienausflüge und Kaffeefahrten. Viele Gäste solidarisieren sich mit der Protestaktion, bringen Lebensmittel und Werkzeug vorbei, andere kommen mehr zum Exoten-Angucken. »Eines Abends tauchen unverhofft ein paar Damen im Abendkleid und Herren im Smoking auf und überreichen etwas verlegen Platten mit Häppchen, die von einer Geschäftseinweihung übrig geblieben sind«, schreibt die Journalistin Sabine Rosenbladt.
Saboteure am Werk
Im Hüttendorf sind schon nach vier Tagen die ersten 1000 Wendenpässe ausverkauft. Die Einnahmen, der Pass kostet zehn Mark, gehen in die Dorfkasse. Der Pass ist »gültig, so lange sein Inhaber noch lachen kann«. Die in einer eigenen Münzpräge hergestellten Geldstücke – Währungseinheit war das oder der »Wend« – können sich als Zahlungsmittel nicht durchsetzen.
Zivilpolizisten nisten sich auf dem Platz ein, sie werden enttarnt und nach Hause geschickt. Dann beunruhigt eine Serie von Brandanschlägen die Dorfbewohner. In einer Nacht legen Unbekannte in einem Zelt Feuer. Sie zerstören auch eine Kamera, stehlen Stempel für die Wendenpässe und Broschüren. Da man weitere Anschläge befürchtet und zudem akute Waldbrandgefahr besteht, werden Brand- und Nachtwachen eingerichtet. Jeweils zehn Leute patrouillieren in Vier-Stunden-Schichten von 21 Uhr bis 9 Uhr durch das Dorf und die Umgebung.
Kein Tag vergeht ohne Kulturprogramm. Umsonst und draußen oder im Freundschaftshaus spielen Rockbands, Folkgruppen, Theaterkollektive. Am neunten Tag der Besetzung errichten Göttinger Theologiestudenten eine Holzkirche. Zum ersten Gottesdienst kommen 100 Leute. Am 18. Mai strahlt »Radio Freies Wendland« seine erste Sendung aus, hunderte Dorfbewohner versammeln sich am Lautsprecherwagen. Es gibt in der Folgezeit mehrere Sendungen, auch die Räumung wird live übertragen. Viele Polizisten hören mit: »Radio Freies Wendland tönt unentwegt aus dem kleinen Transistorradio, das ein Kollege mitführt. So erfahren wir auch das, was wir nicht sehen können. RFW berichtet in erstaunlicher Sachlichkeit«.
Was tun bei Räumung?
An einem Abend berichten Bremer Atomgegner über die harten Auseinandersetzungen bei der Demonstration gegen eine Rekrutenvereidigung im Weserstadion am 6. Mai. In vielen Zeitungen hat es danach Kampagnen gegen die Bremer »Reisechaoten« gegeben, die nun auch in Gorleben »einsickerten«. Auch bei der Veranstaltung im Freundschaftshaus vertreten einige die Meinung, dass Steinewerfer »bezahlte Provokateure« seien und im Hüttendorf nichts zu suchen hätten.
Während sich viele im Dorf auf die Gestaltung eines alternativen Lebens konzentrieren, gibt es heftige Kontroversen zwischen den Atomkraftgegnern aus dem Landkreis und denen aus den Städten. Der Streit dreht sich um die Perspektiven der Besetzung, um den Widerstand bei der Räumung. Soll die Republik Freies Wendland verteidigt werden? Wenigstens symbolisch, durch Jauche-Beschuss, durch Barrikaden? Als man sich nicht einigen kann, ob Barrikaden noch gewaltfreie Widerstandsmittel sind, schreiten ihre Befürworter zur Tat. Sie heben auf den Zufahrtswegen Gruben aus und tragen starke Äste zusammen. Nach einer Intervention des Bürgermeisters der Nachbargemeinde Trebel, der mit der Besetzung sympathisiert, dem Sperren der Gemeindewege aber nicht zustimmt, wird beschlossen, die Hindernisse wieder abzubauen. Da aber zunächst niemand den Beschluss umsetzt, stehen die angefangenen Barrikaden noch tagelang herum.
Das Verhältnis der Dorfbewohner, so haben es viele erlebt und beschrieben, ist trotz der Spannungen und Konflikte durch Vertrauen und Emotionalität gekennzeichnet. »Ich hab mich über jeden gefreut, der neu angekommen ist. Das waren ja alles Leute, die was Ähnliches wollten wie du selbst, ich hätte jedem um den Hals fallen können«, erzählt eine Lehrerin. Die 83-jährige Anti-Atom-Veteranin Lilo Wollny sagt: »Auf dem Platz, als ich die Leute gesehen hab, hatte ich andauernd das Gefühl, ich muss die irgendwie in den Arm nehmen, und ich hab das auch gemacht.«
Bei der Räumung der Republik Freies Wendland am 4. Juni stehen und sitzen den rund 10 000 Polizisten und Grenzschützern – viele von ihnen haben sich vermummt und ihre Gesichter geschwärzt – 4000 Atomkraftgegner gegenüber. Die Staatsmacht zieht ein Bürgerkriegsmanöver auf, mit ständig startenden, landenden und im Tiefflug über die Hütten donnernden Hubschraubern. Polizisten zerren die Demonstranten aus der Menge und laden sie auf der anderen Seite der Absperrungen wieder ab. Die unter den Türmen ausharrenden Besetzer leisten heftigeren Widerstand, der allerdings auch hier bald gebrochen ist. Riesige Bulldozer walzen die Hütten platt. In die Wut über die Räumung mischen sich Tränen. »Das Antiatomdorf war nicht allein gegen die tödliche Atomenergie gerichtet, sondern Symbol neuer Lebensweise überhaupt«, schrieb am folgenden Tag der Gewerkschafter und Atomkraftgegner Heinz Brandt. Die »Zeit« widmete der Republik Freies Wendland einen langen Artikel. »Was da in Klein-Utopia einstürzte«, stand da, »war die Architektur einer Welt ohne Hiroshima.«
Der Widerstand lebt
Das Hüttendorf wurde zerstört. Die Republik Freies Wendland aber lebt fort. Viele von uns, die wir in diesen Tagen im Wendland von Scheune zu Scheune radeln, hat die Republik Freies Wendland mit geprägt. Die Wochen im Hüttendorf, der jahrelange Widerstand davor und danach – all das hat eine politische Sozialisation vermittelt, von der sich manches bis heute erhalten hat. Die Republik Freies Wendland war nicht die erste und schon gar nicht die letzte Widerstandsaktion im Wendland. Aber sie verhalf dem Widerstand zu einer eigenen Identität. Einer Identität, die mit dem jeweiligen Wohnsitz der Widerständigen nichts zu tun hat. Den Bewohnern der Republik Freies Wendland blieben nur 33 Tage, um ihre Ideen zu entwickeln, auszutauschen und ihr Zusammenleben entsprechend zu organisieren. Das »Experiment 1004« wurde durch die Räumung abrupt – wenn auch erwartet – unterbrochen. Es hat, wenn auch vielleicht anders als damals erwartet, hat es seine Fortsetzung gefunden: im anhaltenden, fantasievollen Widerstand gegen die Atomkraft.
ND-Autor Reimar Paul nahm an der Besetzung und Gründung der Freien Republik Wendland teil.
Quelle: http://www.neues-deutschland.de
von Reimar Paul
Die alten Flugblätter und Fotobände über die Platzbesetzung im Gorlebener Wald vor 30 Jahren stapeln sich fast einen Meter hoch. Der »Atom Express«, eine Zeitung von Initiativen gegen Atomanlagen, berichtete damals im Frühjahr 1980: »Am Wochenende des 3. Mai zogen Hunderte junger Menschen aus dem Landkreis, Landwirte, Handwerker, Schüler, Studenten, verstärkt durch auswärtige Freunde zur Bohrstelle 1004. Die Menge wuchs und wuchs, bis es Tausende waren, und sie griffen zu Säge, Hammer, Beil und Nägeln und errichteten auf dem vernichteten Kulturboden die Republik Freies Wendland.«
Auf sandigem Boden, an der Stelle, wo eine Atommülllagerstätte gebaut werden soll, entstehen Dutzende Häuser aus Baumstämmen, Stroh und sogar aus Glas. Auch ein großes Rundhaus für Versammlungen, eine Batterie von Latrinen und ein Passhäuschen mit Schlagbaum, wo die Wendenpässe ausgestellt werden und über dem die grün-gelbe Wendlandfahne flattert. »Es gab Energiesparhäuser mit Heizung aus Flaschen, die sich in der Sonne erwärmten und nachts die Wärme nach innen abgaben. Es gab eine Großküche, eine Krankenstation, eine Kirche und eine Badeanstalt mit holzbeheizter Badewanne«, erinnert sich der Fotograf Günter Zint. In den ersten Tagen bringt ein Bauer Wasser in einem großen Tank ins Hüttendorf. Später wird eine Bohrung niedergebracht, das Wasser gelangt nun mittels einer Handpumpe ins Dorf. Das »Nordrhein-Westfalen-Haus« ist eine Reihenhausanlage aus fünfeckigen, wabenförmig zusammenhängenden Hütten mit kleinen Innenhöfen. Das »Haus der Architekten« besteht fast ausschließlich aus Glasfenstern und -türen. »Hackys Loch« ist nichts weiter als eine mehrere Meter tiefe Erdhöhle. Das »Fritz-Teufel-Haus« muss für die Anschuldigung des Lüneburger Regierungspräsidiums herhalten, die Republik Freies Wendland sei ein Refugium für Terroristen. Auch die beiden Türme im Dorf bieten Anlass zu Stimmungsmache. »Dort oben haben sie Wachs für die Bullen«, zitiert die »Bild« einen fiktiven Dorfbewohner.
An den Wochenenden werden die 500 bis 700 ständigen Besetzer von tausenden Besuchern förmlich überrollt. Das Dorf wird zur touristischen Attraktion für Familienausflüge und Kaffeefahrten. Viele Gäste solidarisieren sich mit der Protestaktion, bringen Lebensmittel und Werkzeug vorbei, andere kommen mehr zum Exoten-Angucken. »Eines Abends tauchen unverhofft ein paar Damen im Abendkleid und Herren im Smoking auf und überreichen etwas verlegen Platten mit Häppchen, die von einer Geschäftseinweihung übrig geblieben sind«, schreibt die Journalistin Sabine Rosenbladt.
Saboteure am Werk
Im Hüttendorf sind schon nach vier Tagen die ersten 1000 Wendenpässe ausverkauft. Die Einnahmen, der Pass kostet zehn Mark, gehen in die Dorfkasse. Der Pass ist »gültig, so lange sein Inhaber noch lachen kann«. Die in einer eigenen Münzpräge hergestellten Geldstücke – Währungseinheit war das oder der »Wend« – können sich als Zahlungsmittel nicht durchsetzen.
Zivilpolizisten nisten sich auf dem Platz ein, sie werden enttarnt und nach Hause geschickt. Dann beunruhigt eine Serie von Brandanschlägen die Dorfbewohner. In einer Nacht legen Unbekannte in einem Zelt Feuer. Sie zerstören auch eine Kamera, stehlen Stempel für die Wendenpässe und Broschüren. Da man weitere Anschläge befürchtet und zudem akute Waldbrandgefahr besteht, werden Brand- und Nachtwachen eingerichtet. Jeweils zehn Leute patrouillieren in Vier-Stunden-Schichten von 21 Uhr bis 9 Uhr durch das Dorf und die Umgebung.
Kein Tag vergeht ohne Kulturprogramm. Umsonst und draußen oder im Freundschaftshaus spielen Rockbands, Folkgruppen, Theaterkollektive. Am neunten Tag der Besetzung errichten Göttinger Theologiestudenten eine Holzkirche. Zum ersten Gottesdienst kommen 100 Leute. Am 18. Mai strahlt »Radio Freies Wendland« seine erste Sendung aus, hunderte Dorfbewohner versammeln sich am Lautsprecherwagen. Es gibt in der Folgezeit mehrere Sendungen, auch die Räumung wird live übertragen. Viele Polizisten hören mit: »Radio Freies Wendland tönt unentwegt aus dem kleinen Transistorradio, das ein Kollege mitführt. So erfahren wir auch das, was wir nicht sehen können. RFW berichtet in erstaunlicher Sachlichkeit«.
Was tun bei Räumung?
An einem Abend berichten Bremer Atomgegner über die harten Auseinandersetzungen bei der Demonstration gegen eine Rekrutenvereidigung im Weserstadion am 6. Mai. In vielen Zeitungen hat es danach Kampagnen gegen die Bremer »Reisechaoten« gegeben, die nun auch in Gorleben »einsickerten«. Auch bei der Veranstaltung im Freundschaftshaus vertreten einige die Meinung, dass Steinewerfer »bezahlte Provokateure« seien und im Hüttendorf nichts zu suchen hätten.
Während sich viele im Dorf auf die Gestaltung eines alternativen Lebens konzentrieren, gibt es heftige Kontroversen zwischen den Atomkraftgegnern aus dem Landkreis und denen aus den Städten. Der Streit dreht sich um die Perspektiven der Besetzung, um den Widerstand bei der Räumung. Soll die Republik Freies Wendland verteidigt werden? Wenigstens symbolisch, durch Jauche-Beschuss, durch Barrikaden? Als man sich nicht einigen kann, ob Barrikaden noch gewaltfreie Widerstandsmittel sind, schreiten ihre Befürworter zur Tat. Sie heben auf den Zufahrtswegen Gruben aus und tragen starke Äste zusammen. Nach einer Intervention des Bürgermeisters der Nachbargemeinde Trebel, der mit der Besetzung sympathisiert, dem Sperren der Gemeindewege aber nicht zustimmt, wird beschlossen, die Hindernisse wieder abzubauen. Da aber zunächst niemand den Beschluss umsetzt, stehen die angefangenen Barrikaden noch tagelang herum.
Das Verhältnis der Dorfbewohner, so haben es viele erlebt und beschrieben, ist trotz der Spannungen und Konflikte durch Vertrauen und Emotionalität gekennzeichnet. »Ich hab mich über jeden gefreut, der neu angekommen ist. Das waren ja alles Leute, die was Ähnliches wollten wie du selbst, ich hätte jedem um den Hals fallen können«, erzählt eine Lehrerin. Die 83-jährige Anti-Atom-Veteranin Lilo Wollny sagt: »Auf dem Platz, als ich die Leute gesehen hab, hatte ich andauernd das Gefühl, ich muss die irgendwie in den Arm nehmen, und ich hab das auch gemacht.«
Bei der Räumung der Republik Freies Wendland am 4. Juni stehen und sitzen den rund 10 000 Polizisten und Grenzschützern – viele von ihnen haben sich vermummt und ihre Gesichter geschwärzt – 4000 Atomkraftgegner gegenüber. Die Staatsmacht zieht ein Bürgerkriegsmanöver auf, mit ständig startenden, landenden und im Tiefflug über die Hütten donnernden Hubschraubern. Polizisten zerren die Demonstranten aus der Menge und laden sie auf der anderen Seite der Absperrungen wieder ab. Die unter den Türmen ausharrenden Besetzer leisten heftigeren Widerstand, der allerdings auch hier bald gebrochen ist. Riesige Bulldozer walzen die Hütten platt. In die Wut über die Räumung mischen sich Tränen. »Das Antiatomdorf war nicht allein gegen die tödliche Atomenergie gerichtet, sondern Symbol neuer Lebensweise überhaupt«, schrieb am folgenden Tag der Gewerkschafter und Atomkraftgegner Heinz Brandt. Die »Zeit« widmete der Republik Freies Wendland einen langen Artikel. »Was da in Klein-Utopia einstürzte«, stand da, »war die Architektur einer Welt ohne Hiroshima.«
Der Widerstand lebt
Das Hüttendorf wurde zerstört. Die Republik Freies Wendland aber lebt fort. Viele von uns, die wir in diesen Tagen im Wendland von Scheune zu Scheune radeln, hat die Republik Freies Wendland mit geprägt. Die Wochen im Hüttendorf, der jahrelange Widerstand davor und danach – all das hat eine politische Sozialisation vermittelt, von der sich manches bis heute erhalten hat. Die Republik Freies Wendland war nicht die erste und schon gar nicht die letzte Widerstandsaktion im Wendland. Aber sie verhalf dem Widerstand zu einer eigenen Identität. Einer Identität, die mit dem jeweiligen Wohnsitz der Widerständigen nichts zu tun hat. Den Bewohnern der Republik Freies Wendland blieben nur 33 Tage, um ihre Ideen zu entwickeln, auszutauschen und ihr Zusammenleben entsprechend zu organisieren. Das »Experiment 1004« wurde durch die Räumung abrupt – wenn auch erwartet – unterbrochen. Es hat, wenn auch vielleicht anders als damals erwartet, hat es seine Fortsetzung gefunden: im anhaltenden, fantasievollen Widerstand gegen die Atomkraft.
ND-Autor Reimar Paul nahm an der Besetzung und Gründung der Freien Republik Wendland teil.
Quelle: http://www.neues-deutschland.de