Dienstag, 14. Juli 2009

Blackbox im AKW Krümmel war außer Betrieb /5.07.09

Der Störfall im Atomkraftwerk Krümmel – der zweite innerhalb von wenigen Tagen – ließ nicht nur Hamburg im Chaos versinken, sondern heizt auch den Streit um den Atom-Ausstieg gewaltig an. Die Ursache der Panne wurde noch immer nicht geklärt. Nach Informationen von WELT ONLINE war die Blackbox des AKWs ausgeschaltet.

Audio-Aufzeichnungen aus der Leitwarte des Atomkraftwerks Krümmel hätten Aufschluss über die Umstände der Schnellabschaltung des Reaktors am vergangenen Samstag bringen können. Die von der Aufsichtsbehörde vorgeschriebenen Mikrofone waren jedoch nach Informationen von WELT ONLINE außer Betrieb.

Das Ministerium für Soziales, Gesundheit, Familie, Jugend und Senioren des Landes Schleswig-Holstein hatte am 19. Juni als zuständige Aufsichtsbehörde „kontinuierliche Audioaufzeichnungen auf der Hauptwarte“ des Kernkraftwerks Krümmel angeordnet.

Die Mikrofonanlage – in etwa vergleichbar mit dem Flugschreiber („Blackbox“) im Cockpit eines Flugzeugs – sollte aus Sicht des Ministeriums „belastbare, schnellere und vereinfachte Aufklärung von Ereignisabläufen“ bringen. Die Audioaufzeichnungen wurden dem Krümmel-Betreiber Vattenfall Europe zur Auflage gemacht, bevor das Atomkraftwerk wieder angefahren werden dürfe.

Vattenfall hatte allerdings gegen die Audio-Aufzeichnungen eine Klage beim Oberverwaltungsgericht Schleswig eingereicht. Die Klage ist dort derzeit noch anhängig. Die Mikrofon-Anlage, mit deren Installation Vattenfall gleichwohl begonnen hat, war deshalb am vergangenen Samstag noch nicht in Betrieb.

Das bestätigten auf Nachfrage von WELT ONLINE Mitarbeiter von Vattenfall Europe ebenso wie ein Sprecher des Aufsicht führenden Ministeriums in Kiel. Vattenfall habe allerdings angekündigt, „über die Nutzung der Anlage kurzfristig Umsetzungsvorschläge vorzulegen“, hieß es in Kiel.

Nach der Panne war es zu schweren Störungen im Stromnetz von Teilen von Schleswig-Holstein und Hamburg gekommen. So fielen die meisten Ampeln der Hansestadt aus. Die Hamburger Wasserwerke berichteten, es seien große Schäden im Leitungsnetz entstanden, weil sich Pumpen nach dem Ausfall plötzlich wieder einschalteten. Vattenfall sagte, darüber sei nichts bekannt. Beschwert hätten sich aber etwa Einkaufszentren und Industriebetriebe.

Die schleswig-holsteinische Sozialministerin Gitta Trauernicht drängte Vattenfall zu weitreichenden Konsequenzen. Die für die Atomaufsicht zuständige SPD-Politikerin verlangte, Bauteile im Zweifelsfall komplett zu erneuern, statt nur zu reparieren.

Umweltminister Sigmar Gabriel verwies in mehreren Zeitungsinterviews darauf, dass die Ursachen der Schnellabschaltung wie bei früheren Störfallen in der Elektronik des AKW zu suchen seien. Er werde „über die Atomaufsicht des Bundes prüfen lassen, ob es in anderen deutschen Kraftwerken ähnliche Probleme mit der Elektronik gibt“.
Die Entscheidung über die Zukunft des Reaktors wolle er künftig selbst treffen, betonte der Minister: „Wir sind uns einig, dass ein Wiederanfahren des Reaktors nur nach vorheriger Zustimmung der Bundesaufsicht erfolgen wird.“ Formal üben die Länder die Atomaufsicht aus. Der Bund hat ihnen gegenüber jedoch ein Weisungsrecht.

Die Union rief der SPD-Politiker zu einem Politikwechsel auf: „Ich fordere Bundeskanzlerin Angela Merkel und Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg im Interesse der Sicherheit der Bürger auf, ihren Kurs aufzugeben“, sagte Gabriel. Die jüngsten Vorfälle in Krümmel bewiesen, dass eine Laufzeitverlängerung für ältere Kraftwerke unverantwortlich sei.
Unionsfraktionschef Volker Kauder wies die Forderung Gabriels zurück. „So lange Kernkraftwerke sicher sind, sollen sie auch laufen können“, sagte der CDU-Politiker dem „Hamburger Abendblatt“. Gabriels Forderung führe nur zu einer weiteren Erhöhung der Strompreise.

Die Grünen-Chefin Claudia Roth verlangte eine umfassende Aufklärung des Vorfalls. Ebenso wie mehrere Umweltorganisationen forderte sie, das AKW endgültig abzuschalten.
Quelle: Welt online