Donnerstag, 9. Juli 2009

Brief und Resolutionen des Kreistages Lüchow-Dannenberg vom 22.06.2009

"Sehr geehrte Damen und Herren,
der Kreistag des Landkreises Lüchow-Dannenberg hat in seiner Sitzung am 22.06.2009 einen offenen Brief und drei Resolutionen beschlossen, die auf unserer Internetseite veröffentlicht sind: http://www.luechow-dannenberg.de/

Folgend hat der Kreistag verfügt, dass
- der Offene Brief zur weiteren Teilnahme an der Vorbereitung des Dialogs über die Atommüll-Endlagerung in Deutschland:
http://www.luechow-dannenberg.de/index.htm?baum_id=3589&inhalt_id=1737230

- Offener Brief -
I.
Der Kreistag Lüchow-Dannenberg begrüßt die mit dem Endlagersymposion 2008 begonnenen Initiativen des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) zur Vorbereitung eines Dialoges über die Endlagerung hochradioaktiver wärmeentwickelnder Abfälle in Deutschland.

Der Kreistag geht nach den Ankündigungen im November 2008 davon aus, dass weitere kleinere Veranstaltungen zur Vertiefung der mit dem Symposion aufgeworfenen Themenkomplexe vom BMU durchgeführt werden und entsendet den Ausschussvorsitzenden des Ausschusses „Atomanlagen und öffentliche Sicherheit“ in die Programmkommission zur Vorbereitung dieser Veranstaltungen.

Der Kreistag bittet das BMU, die erforderlichen Gelder zur Vorbereitung und Durchführung weiterer Veranstaltungen auch über die Bundestagswahl 2009 hinaus in seinem Haushalt einzuplanen.

Für die nächste Veranstaltung sieht der Kreistag eine Fachtagung zur vergleichenden Standorterkundung in verschiedenen geologischen Formationen, deren Finanzierung und Zeitschiene, sowie eine Auswertung internationaler Erfahrungen mit Endlager-Standortsuche und öffentlicher Partizipation als unabdingbar an.

II.
Durch die aktuelle Berichterstattung der Frankfurter Rundschau und anderer Medien, sowie die Stellungnahme des Bundesamtes für Strahlenschutz sieht sich der Kreistag Lüchow- Dannenberg in seiner seit Jahren vertretenen Auffassung bestätigt, dass im Erkundungsbergwerk Gorleben ein weit über eine Erkundung hinaus reichender Ausbau wie für ein Endlager nach Bergrecht erfolgt ist.

Der Kreistag sieht in dieser Tatsache eine weitere erschreckende Parallele zu den katastrophalen und skandalösen Vorgängen im sogenannten Forschungsbergwerk Asse II.

Es drängt sich massiv der Eindruck auf, dass durch den nicht erforderlichen Ausbau und die zusätzlich investierte Milliarde Euro bereits vollendete Tatsachen für einen geologisch nicht geeigneten Endlagerstandort geschaffen werden sollten. Alle Eignungsaussagen für Salzstock Gorleben- Rambow sind für den Kreistag Lüchow- Dannenberg vor diesem Hintergrund nicht mehr glaubwürdig.

Die unnötig investierten Gelder hätten dringend für eine ergebnisoffene vergleichende Erkundung anderer und geeigneter geologischer Formationen und Standorte verwendet werden müssen, wenn es den jeweiligen Bundesregierungen mit einer möglichst sicheren Endlagerung hochradioaktiver wärmeentwickelnder Abfälle tatsächlich ernst gewesen wäre.

Der Kreistag Lüchow- Dannenberg fordert den Deutschen Bundestag, die Bundesregierung und die im Bundestag vertretenen Fraktionen auf, einen Untersuchungsausschuss einzurichten zur Klärung der Frage, inwieweit das Erkundungsbergwerk Gorleben über den reinen Erkundungszweck hinaus

ausgebaut wurde.

Der Kreistag sieht die vorherige Klärung und Beantwortung folgender Fragen ebenfalls als unabdingbar an für eine Folgeveranstaltung des Endlagersymposions:

BfS - Präsident Wolfram König hat in einem Interview für die FR kürzlich die Kosten für die Erkundung eines nuklearen Endlagers mit lediglich 400-500 Mio € beziffert. Bedeuten die bisherigen Ausgaben von ca. 1,5 Mrd € für das Bergwerk in Gorleben, dass über das eigentliche Erkundungsziel hinaus ca. 1 Mrd. € verbaut wurden?

Wie viel wurde bisher in Gorleben genau investiert?

Wofür wurde das Geld, ca. 1,5 Mrd €, im Einzelnen verwendet (mit der Bitte um differenzierte Kostenaufstellung)?

Welche Ausgaben gehen über das eigentliche Erkundungsziel hinaus?

Ist die Dimensionierung a) der Schächte und b) der aufgefahrenen Strecken größer als für die Erkundung des Salzstockes nötig? Wenn ja, warum? Wer entschied wann darüber?

Warum wurden über die reine Erkundung hinaus ca. eine Milliarde Euro in den Ausbau in Gorleben investiert, obwohl keine Aussagen zur geologischen Eignung vorlagen?

Wer entschied wann und warum, über die notwendigen Erkundungsmerkmale hinaus die Anlage auszubauen?

Wer entschied wann und warum, trotz des zumindest Teilausbaus zum Endlager rechtswidrig weiter nach Bergrecht statt nach Atomrecht zu verfahren?

Warum wurden diese Gelder von ca. 1 Mrd € nicht in eine alternative vergleichende Erkundung anderer geologischer Formationen und Standorte investiert?

Wurde vor dem Hintergrund der bereits eingesetzten Gelder Einfluss auf Gutachter und Gutachten genommen?

Der Abteilungsleiter der PTB, Prof. Röthemeyer, hatte 1983 in seiner Stellungnahme zum Salzstock Gorleben ausgeführt, die Tiefbohrungen hätten nicht das gewünschte Ergebnis erbracht. Wegen des Erkundungsrisikos und der Akzeptanzprobleme forderte er deshalb ursprünglich die Erkundung eines alternativen Standorts. Ministeriumsvertreter aus Bonn hätten ihn bzw. die PTB darauf hin zur Änderung des Gutachtens aufgefordert. Zitat Röthemeyer: „ Es gab nichts Schriftliches, keine schriftliche Weisung, aber wir mußten das Gespräch klar als Weisung auffassen.“
Fragen dazu:
1) Gab es eine politische Vorfestlegung auf einen Endlagerstandort Gorleben?
2) Wer hat aus welchen Gründen das dann erfolgte Fallenlassen der fachlichen Forderung Röthemeyers nach Erkundung eines anderen Standorts bewirkt?

Wer trägt die politische Verantwortung für die enormen Fehlinvestitionen?

Die an den Entscheidungen beteiligten Ministerien und Bundesämter fordert der Kreistag Lüchow- Dannenberg auf, alle für die Entscheidungen maßgeblichen Akten und Unterlagen öffentlich zugänglich zu machen.


- die Resolution zur Diskussionsveranstaltung zu Sicherheitsanforderungen: http://www.luechow-dannenberg.de/index.htm?baum_id=3589&inhalt_id=1737232

- Resolution -
Der Kreistag Lüchow- Dannenberg stimmt mit dem Bundesministerium Umwelt und Naturschutz (BMU) überein, dass die 1983 veröffentlichten „Sicherheitsanforderungen für die Endlagerung radioaktiver Abfälle in einem Bergwerk“ nicht dem gegenwärtigen Stand von Wissenschaft und Technik entsprechen und somit weder dem Sicherheitsbedürfnis heutiger, noch zukünftiger Generationen gerecht werden. Vor diesem Hintergrund begrüßt der Kreistag grundsätzlich die Erarbeitung einer Novellierung der Sicherheitsanforderungen durch das BMU.

Der Kreistag begrüßt ebenfalls die Eröffnung der Diskussion über die Sicherheitsanforderungen durch die Veranstaltung des BMU im März dieses Jahres in Berlin. Die kurze Einladungsfrist und Begrenzung der Teilnehmerzahl gestattete jedoch nur einer kleinen Anzahl Menschen, sich zu beteiligen und die Vorlage der revidierten Sicherheitsanforderungen als Tischvorlage bot nicht die Möglichkeit der angemessenen Vorbereitung.

Eine derartige zahlenmäßig begrenzte nichtöffentliche Veranstaltung ersetzt keineswegs eine qualifizierte Öffentlichkeitsbeteiligung. Der Kreistag verweist zu Informations- und Beteiligungsrechten potentiell betroffener Regionen auf Punkt 4 seiner Resolution vom 01.10.2008.

Nur ein sicherheitsorientiertes qualifiziertes vergleichendes Standortauswahlverfahren entspricht dem internationalen Stand von Wissenschaft und Technik.
Grundlage für die Anwendung der Sicherheitsanforderungen muss deshalb zwingend ein vorhergehendes qualifiziertes vergleichendes transparentes Standortauswahlverfahren sein. Ein solches muss in einem Kapitel „Geltungsbereich“ in den Sicherheitsanforderungen ausdrücklich voraus gesetzt und seine Anforderungen zeitgleich mit den Sicherheitsanforderungen festgesetzt werden.

Als Nachweiszeitraum kann nur der Zeitraum vorausgesetzt werden, für den von dem eingelagerten Gefahrgut eine Gefährdung für Mensch und Umwelt ausgeht. Der sichere Verschluss für mindestens eine Million Jahre wird deshalb befürwortet.

Für alle nach heutigem Kenntnisstand nicht auszuschließenden Szenarien muss der gleiche Sicherheitsstandard gelten.
Schon das Risiko eines schwerwiegenden Gesundheitsschadens durch freigesetzte Radionuklide bei einem Menschen von 10.000 in jeder Generation kann kaum als ausreichende Anforderung an die Sicherheit eines Endlagers gelten. Das Risiko eines Krebstoten unter 1000 Anwohnern (-3) für den Fall selten beobachteter Entwicklungen oder ungünstiger Annahmen (Wahrscheinlichkeit < 10%) verletzt jedoch das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Auch unwahrscheinliche Entwicklungen (< 1%) sind zu betrachten und der Schutz der Bevölkerung zu gewährleisten.

Der heute gültige Dosisgrenzwert für oberirdische im Betrieb befindliche kerntechnische Anlagen ist für ein Endlager nicht ausreichend. Der Grenzwert ist um ein Vielfaches niedriger anzusetzen. Während im Falle der Überschreitung des Grenzwertes bei oberirdischen Anlagen durch Abschaltung der Anlage oder andere geeignete Maßnahmen gegengesteuert werden kann, ist bei einem Endlager davon auszugehen, dass eine Eingriffsmöglichkeit nicht mehr gegeben ist. Weiterhin kann nicht prognostiziert werden, welchen Grenzwert zukünftige Generationen aufgrund fortschreitender wissenschaftlicher Erkenntnisse für erforderlich erachten.

Der Kreistag begrüßt grundsätzlich das Konzept des (relativ) sicheren Einschlusses im einschlusswirksamen Gebirgsbereich (ewG). Auch für dieses Konzept muss der Schutz des ewG selber vor unvorhergesehenen und unerwarteten Einflüssen jedoch zweifelsfrei gewährleistet sein. Besonders für das Lagermedium Steinsalz ist nach den Erfahrungen in den Atommülldeponien Asse II und Morsleben die Abdichtung des ewG gegen Wasserzutritt durch ein intaktes Deckgebirge unverzichtbar.

Das Verhältnis des einschlusswirksamen Gebirgsbereiches zum Deckgebirge ist deshalb in die Sicherheitsanforderungen aufzunehmen. Auch über den ewG hinaus ist ein Mehrbarrierensystem durch natürliche Barrieren für den sicheren Einschluss über eine Million Jahre zwingend erforderlich. Übergeordnet zu den vorangestellten Betrachtungen weisen wir zum Schutze der Menschen, für die wir als kommunale Vertreter gewählt worden sind, nachdrücklich darauf hin, dass es weder national im Staatsorganisations- und Verfassungsrecht als auch EU – rechtlich oder nach den Europäischen Menschenrechtskonventionen (EMRK) keinerlei Recht gibt das Rechtsgut Leben und das Recht auf körperliche Unversehrtheit überhaupt zur Disposition zu stellen.

Die mathematisch-naturwissenschaftliche Betrachtung, ob es dabei um ein Menschenleben oder um 1000 Leben der Einwohner über einem möglichen Endlager für radioaktive Abfälle geht, ist hierfür unerheblich. Der berechtigten und allen wirtschaftlichen Interessen übergeordneten Forderung nach größtmöglicher Sicherheit kommender Generationen und ihrer Umwelt ist uneingeschränkt Rechnung zu tragen. Eine mit diesem Entwurf vorgeschlagene Einschränkung der Rechte auf Leben und körperliche Unversehrtheit, die unser demokratischer Rechtsstaat auch gar nicht zulässt, wird von uns abgelehnt.

und
- die Resolution des Kreistages zum Treck nach Berlin und zur Großdemonstration „Mal richtig abschalten“ am 05. September 2009 in Berlin:
http://www.luechow-dannenberg.de/index.htm?baum_id=3589&inhalt_id=1737233

- Resolution des Kreistages zum Treck nach Berlin und zur Großdemonstration „Mal richtig abschalten“ am 05. September 2009 in Berlin -
Vor über 30 Jahren rollten die wendländischen Bauern mit Hunderten von Treckern nach Hannover, um ihren Massenprotest gegen die politisch motivierte Standortentscheidung für ein Nukleares Entsorgungszentrum in die Landeshauptstadt zu tragen. Nach einer Großdemonstration von über 100.000 Menschen verkündete der damalige Ministerpräsident Ernst Albrecht, dass eine Wiederaufarbeitungsanlage (WAA) in Niedersachsen politisch nicht durchsetzbar sei. An einem sogenannten Erkundungsbergwerk und einem Zwischenlager in Lüchow- Dannenberg wurde jedoch festgehalten.

Auch über 30 Jahre nach diesen Entscheidungen der Politik besteht die fortwährende Bedrohung des Landkreises unverändert und ist der gesellschaftliche Frieden weiterhin nachhaltig gestört. Die strukturelle Entwicklung des Landkreises ist durch diese Entwicklungen immer noch massiv beeinträchtigt und fast alljährlich sehen sich die Einwohner mit unverhältnismäßigen Polizeieinsätzen zur Durchsetzung privater und überregionaler Interessen konfrontiert.

Für den September dieses Jahres rufen die Bäuerliche Notgemeinschaft und die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow- Dannenberg zusammen mit Umweltverbänden und Anti- Atom- Initiativen zum Treck nach Berlin und für den 05.09.2009 zur Großdemonstration in Berlin auf.

Nach einer jüngsten repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes FORSA stimmen sie dabei mit ihrer Forderung nach einem schnellen Ende der Atommüllproduktion mit der überwältigenden Mehrheit der deutschen Bevölkerung überein.

Der Kreistag Lüchow- Dannenberg unterstützt den Aufruf zum Treck nach Berlin und zur Großdemonstration am 05. September 2009 in Berlin.

Der Kreistag ruft alle Bürgerinnen und Bürger zur Teilnahme an der Großdemonstration am 05. September auf, um ihren berechtigten Protest in die Bundeshauptstadt zu tragen.

Der Kreistag bekräftigt alle seine ablehnenden Stellungnahmen gegen die Atomanlagen in Gorleben und fordert die Verantwortlichen auf, endlich in ein vergleichendes Standortauswahlverfahren unter qualifizierter Öffentlichkeitsbeteiligung einzutreten. Der Standort Gorleben ist dabei als mögliches Endlager nicht mehr in Betracht zu ziehen.

Der Kreistag fordert den schnellstmöglichen unverzüglichen und unumkehrbaren Ausstieg aus der überholten Technologie der Kernenergienutzung.

Der Kreistag Lüchow-Dannenberg unterzeichnet als Unterstützer den Aufruf zum 05.09.2009

Mal richtig abschalten!

an folgenden Adressaten gehen sollen:..."