Sonntag, 13. Dezember 2009

Prototyp des unbeirrbaren eitlen Wissenschaftlers /6.11.09

SPD: ASSE-Zeuge Kühn ist Prototyp des unbeirrbaren eitlen Wissenschaftlers

Der jahrzehntelang Verantwortliche für die marode Schachtanlage bei Wolfenbüttel überraschte gleich zu Beginn seiner mehrstündigen Anhörung mit der Aussage, dass das mögliche Absaufen der Asse durch Zutritt von Laugen schon vor dem Beginn der Einlagerung von Atommüll bekannt war. Der Zutritt von Laugen sei in der Forschung sogar von Anfang an als größter anzunehmender Unfall in einem Salzstock-Endlager definiert gewesen, sagte Prof. Dr. Klaus Kühn. Konsequenzen zogen er und seine Kollegen von der ehemaligen Asse-Betreiberin Gesellschaft für Strahlenforschung (GSF) nicht. Für einen überschaubaren Zeitraum von 100 Jahren habe man die Standfestigkeit der Asse für durchaus gegeben gehalten.Der Physiker Prof. Dr. Kühn, der sein gesamtes Berufsleben mit der Asse zugebracht hat, ist nach wie vor ein uneinsichtiger Verteidiger der Atomwirtschaft, so das Urteil von SPD-Mann Detlef Tanke..

„Die Aussagen von Herrn Kühn überraschen vor diesem Hintergrund nicht“, so Tanke. „Er lässt keinerlei Zweifel an der Richtigkeit seines Handelns in der Vergangenheit erkennen, er würde somit sonst auch seine Lebensleistung in Frage stellen.“ Kühn befand die Asse trotz vorliegender fachlicher Erkenntnisse immer für sicher. So hat er noch 1985 vor dem Kreistag Wolfenbüttel einen Laugenzufluss ausgeschlossen, was 3 Jahre später widerlegt war. Jedwede Kritik insbesondere aus dem direkten Umfeld des Bergwerks wurde abgewehrt. So auch die viel beachtete Kritik des Geologen Helge Jürgens aus dem Jahre 1979. Die Fachbehörde, das Niedersächsische Landesamt für Bodenforschung, nahm diese hingegen sehr wohl auf.

Die Fachbehörden und Kritiker von Asse II konnten sich gegen die Phalanx der Atomkraftlobby nicht durchsetzen. Der Grund hierfür ist darin zu sehen, dass durch das angewandte Bergrecht ein Eingreifen nur bei Gefahr im Verzuge möglich gewesen wäre. „Die Betreiber der Asse konnten daher das Problem aussitzen und ihr Vertuschungsnetzwerk weiter betreiben“, so Detlef Tanke. „Was wir hier heute zu hören kriegen, ist Stoff für den Atomkrimi der letzten 40 Jahre“.

Der Fraktionsvorsitzende der Landtagsgrünen Stefan Wenzel sieht mit dem heutigen (Donnerstag) Auftritt des ehemaligen wissenschaftlichen Leiters der Asse Professor Kühn vor dem Landtagsuntersuchungsausschuss ein "beängstigendes Verständnis von Wissenschaft" demonstriert. "Dem Zeugen waren die vielfältigen Bedenken und Warnungen hinsichtlich der Einlagerung in der Asse frühzeitig bekannt", sagte der Grünen-Politiker. Gleichwohl seien keine Konsequenzen daraus gezogen worden. "Der Hinweis auf den seinerzeit anderen Stand der Technik entbindet Herrn Kühn nicht von der Verantwortung". Es müsse vielmehr davon ausgegangen werden, dass der ehemals führende Wissenschaftler für Endlagerfragen hinter den Kulissen alle kritischen Fachäußerungen zur Asse vom Tisch gefegt habe. "Es gab immer zwei Wahrheiten: eine für die Öffentlichkeit und eine andere für die interne Arbeit", sagte Wenzel.

Angesichts dieses leichtfertigen Umgangs mit den Tatsachen, sei es eher beunruhigend, wenn Herr Kühn heute noch Erklärungen zur Sicherheit des Salzstocks in Gorleben abgibt. Interessant sei in diesem Zusammenhang, dass der Zeuge sich nicht mehr daran erinnern kann, dass er noch 2001 ausgeführt hat, dass es das Ziel der Arbeit in der Asse gewesen sei, für ein geplantes Endlager im Salzstock Gorleben die entsprechenden Techniken und die wissenschaftlich-technischen Daten zu ermitteln.

Wenzel geht davon aus, dass der Zeuge Kühn zu mindestens einer weiteren Befragung vor dem Ausschuss eingeladen werden muss.

DIE LINKE: Historiker bringt Asse-Dilemma auf den Punkt: Kleiner Kreis von Verantwortlichen narrte die Republik – die Asse als ungeeignetes „Discount-Endlager“

Als außerordentlich aufschlussreich hat der umweltpolitische Sprecher der Fraktion DIE LINKE im Landtag, Kurt Herzog, die heutige Zeugenvernehmung im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Atommülllager Asse bezeichnet. Der Historiker Dr. Detlev Möller habe das ganze Dilemma auf den Punkt gebracht: Die Asse sei zu keiner Zeit als Atommülllager geeignet gewesen, ein kleiner Kreis aus Politik und Atomwirtschaft habe die Republik genarrt. „Dieser Kreis wollte ein Discount-Endlager und hat es bekommen“, sagte Herzog.

Grundlage für die vielen Fehlentscheidungen sei laut Möller die Bereitschaft von Politik und Atomwirtschaft gewesen, die Atomenergie voranzubringen und den Atommüll billig zu entsorgen. Abgeordnete seien falsch informiert und getäuscht, Kritiker ignoriert und brisante Inhalte „dethematisiert“ worden. Auch Bundesministerien seien beteiligt gewesen und hätten „das ein oder andere gedreht“. „Für die Asse bedeutete dies: Probleme mit der Standsicherheit und der Wasseranfälligkeit des Salzes wurden aus der Diskussion genommen“, sagte Herzog. Der Bevölkerung habe man die Risiken verschwiegen.

Besonders pikant sei Möllers Hinweis auf Nachfrage von Herzog gewesen, dass er über die Beteiligung der ministeriellen Ebene in Niedersachsen keine Aussage machen könne, da man ihm keinen Einblick in die entsprechenden Akten gewährt habe. „Das muss schnellstens nachgeholt werden“, forderte Herzog. „Denn nur dort können all diese haarsträubenden Entscheidungen getroffen und gedeckt worden sein.“

Der Sachverständige Dr. Detlev Möller bestätigte in vollem Umfang die bisherigen Erkenntnisse der SPD-Fraktion im parlamentarischen Untersuchungsausschuss. So habe es von Anfang an umfangreiche Zweifel an der Eignung des Salzstocks Asse II als Endlager für Atommüll gegeben. Die Akteneinsicht und die Aussagen von Möller bestätigen, dass bereits am 15. Oktober 1964 – noch vor dem Ankauf der Asse im März 1965 – die zuständige Fachbehörde festgestellt hat, dass der Schacht Asse II einsturzgefährdet ist. Die Fachleute wussten nur nicht, wann genau dies geschehen wird. Weiterhin war bereits am 10.11.67 aktenkundig, „dass kein Raum der Asse auf Dauer trockenbleiben würde“.

Auch erfolgte die Verfüllung der einsturzgefährdeten Südflanke erst ab 1995, obwohl die Gefahr spätestens seit 1964 bekannt war. Klar wurde auch, dass der damalige über lange Jahre verantwortliche Ministerialbeamte Straimer entgegen seiner Fach- und Sachkenntnis für die Inbetriebnahme von Asse II votierte, weil nur so die Nutzung der Atomenergie wirtschaftlich wurde.

Der steigende Druck aus der Atomindustrie führte dann 1971 zur Schaffung des Endlagers. Die ungeklärte Atommüllfrage war bis dahin ein Hindernis für den kommerziellen Durchbruch der Atomenergie. „Die Asse war also die Billiglösung für die Atomindustrie schlechthin, allerdings offensichtlich zulasten der Allgemeinheit“, stellt Tanke fest.

Tanke fasst zusammen: „Ein kleiner Kreis von interessenorientierten Insidern hat das Geschehen der Atompolitik in Deutschland über Jahrzehnte bestimmt. Wissenschaftliche Erkenntnisse wurden dabei solange gedreht, bis es passte. Es wird überdeutlich, dass alle Bedenken und Kritik systematisch beiseitegeschoben worden sind – es wurde vertuscht und verschleiert: Die Menschen wurden bewusst in die Irre geführt.“

Selbst der Wirtschaftsausschuss des Niedersächsischen Landtags wurde 1967 wider besseren fachlichen Wissens durch den damaligen Vizepräsidenten des Niedersächsischen Landesamtes für Bodenforschung Richter-Bernburg belogen. „Es zeigt sich immer deutlicher: Die jahrzehntelange Festlegung auf Salzgestein war ein großer Fehler“, so Detlef Tanke. „Der Irrtum Asse darf seine Fortsetzung nicht in Gorleben finden.“

Die SPD-Fraktion fordert eine ergebnisoffene Suche nach einer Endlagerlösung in allen Bundesländern und allen geologischen Formationen, wie Granit oder Tongestein.

GRÜNE: Sanders Genörgel gegen BfS-Chef torpediert konstruktiven Prozess der Asse-Sanierung

Seit 1999 ist Wolfram König Präsident des BfS. Die Behörde mit Sitz in Salzgitter betreibt die maroden Atommülllager Asse und Morsleben, baut das künftige Endlager Schacht Konrad und leitet die Erkundung des Gorlebener Salzstocks. Das dem Bundesumweltministerium unterstehende Amt ist zudem Genehmigungsbehörde für Castortransporte. Niedersachsens Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP), ein erklärter Kernkraft-Freund, preschte nun vor und forderte einen neuen Chef beim BfS. König sei nicht unabhängig und mache lieber Politik, als seinen Aufgaben als Leiter einer Fachbehörde nachzukommen.

Auch in der CDU ist König umstritten. Unter seiner Leitung wurde »die Kompetenz des Bundesamtes heruntergewirtschaftet«, erklärte die neue Staatssekretärin im Bundesumweltministerium, Katherina Reiche. Sie ist, so drückt es die LINKE in Niedersachsen aus, Gorleben-Fanatikerin und will allen Sicherheitsbedenken zum Trotz im dortigen Salzstock so schnell wie möglich ein Endlager errichten lassen. Über Königs Zukunft entscheidet indes der neue Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU). Ihm werden Sympathien für eine behutsame schwarz-grüne Annäherung nachgesagt.

Die Landtagsgrünen haben dem niedersächsischen Umweltminister Hans-Heinrich Sander vorgeworfen, mit seiner Kritik am Bundesamt für Strahlenschutz und dessen Chef den offenen und transparenten Prozess zur Sanierung der Asse zu sabotieren. "Der Minister weiß genau, dass das Verfahren zur Entscheidung über die Schließungsvarianten nunmehr in eine wichtige Phase kommt. Sein Genörgel ist Gift für die konstruktive Arbeit vor Ort", sagte der Fraktionsvorsitzende Stefan Wenzel am Dienstag in Hannover.

Es sei geradezu "tragikomisch", dass Sander dem BfS-Chef König presseöffentlich mangelnde "Unabhängigkeit" vorwerfe, während in der gleichen Veröffentlichung die CDU ihren Parteigänger Jochen-Konrad Fromme als Chefbeamten der Behörde vorschlage. "Für wie blöd hält die Landesregierung eigentlich die Bürgerinnen und Bürger? FDP und CDU machen die Personalpolitik zum Wunschkonzert. An Königs Arbeit gibt es nichts auszusetzen", sagte Wenzel.

Es sei zu befürchten, dass der Umweltminister die Personalie vorschiebt, um das untaugliche alte Asse-Schließungskonzept mit lediglich einigen Modifizierungen durchsetzen zu lassen. Wenzel: "Damit ist die Langzeitsicherheit allerdings nicht zu gewährleisten. Sander treibt ein gefährliches Spiel!"

Der Grünen-Politiker erinnerte daran, dass das Ziel des Verfahrens zur Entscheidung über die drei Schließungsvarianten Rückholung, Umlagerung und Verfüllung ein möglichst breit getragener Konsens vor Ort sei. "Im Mittelpunkt stehen Sicherheit und Schutz der Bewohner in der Asse-Region vor einer schleichenden Verseuchung des Grund- und Trinkwassers." Sander brüskiere die Bevölkerung wenn er diesen Prozess jetzt torpediert.
Quelle: europaticker