Sonntag, 24. Januar 2010

Experten raten zur Leerung des Endlagers Asse /15.01.10

links: PDF-Datei download bei http://zelos.zeit.de/bilder/2009/31/wissen/30-asse.pdf

Etwa 126.000 Fässer Atommüll lagern im einsturzgefährdeten Endlager Asse. Das Bundesamt für Strahlenschutz hält ein rasches Umlagern des Mülls für unumgänglich.

Der Atommüll aus dem einsturzgefährdeten Endlager Asse bei Wolfenbüttel soll herausgeholt werden: Wie die Autoren eines 225-seitigen Gutachtens des Bundesamtes für Strahlenschutz empfehlen, sei es das Beste, die 126.000 Fässer mit leicht- und mittelradioaktivem Atommüll in den 20 Kilometer entfernten Schacht Konrad, ein stillgelegtes Eisenerz-Bergwerk in Salzgitter, zu verfrachten. Der Kölner Stadt-Anzeiger berichtete, die Behörde rate der Politik zu größter Eile, da die Grube instabil sei und Wasser eindringe. Die Arbeiten sollten so schnell wie möglich beginnen.
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Der frühere Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) hält die vollständige Rückholung des Atommülls für die sicherste Option. Er hoffe, dass sein Nachfolger Norbert Röttgen und Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (beide CDU) dem zustimmen, sagte Gabriel am Rande einer SPD-Fraktionsklausur in Berlin. "Wenn es dazu käme, wäre das eine außerordentlich gute Entscheidung", fügte der SPD-Chef hinzu. Er verwies darauf, dass das Gutachten des Bundesamts für Strahlenschutz noch in seiner Amtszeit als Bundesumweltminister vorbereitet worden war.

Vor der endgültigen Entscheidung will Norbert Röttgen (CDU) laut einem Zeitungsbericht aber den Zustand des radioaktiven Abfalls genauer untersuchen lassen. Erst dann lasse sich das unterirdische Lager mit möglichst geringem Risiko stilllegen, sagte Röttgen der Braunschweiger Zeitung. Das Gutachten wollte das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) am Freitag präsentieren.

Röttgen betonte: "Nach jetzigem Erkenntnisstand und im Hinblick auf die Langzeitsicherheit erscheint die vollständige Rückholung als die bevorzugte Variante für die Stilllegung der Asse." Allerdings nur, wenn der Zustand der Grube und des Atommülls entsprechend stabil seien. Um das festzustellen, müsse das Lager geöffnet und genau untersucht werden.

Die Kosten dafür blieben bisher unklar. Das Essener Ingenieur- und Consultingunternehmen DMT und der TÜV Nord errechneten mehr als zweieinhalb Milliarden Euro. Experten hatten insgesamt drei verschiedene Wege zur Stilllegung des ehemaligen Salzbergwerks Asse geprüft – das Herausholen der Atommüll-Fässer, eine Umlagerung innerhalb der Grube oder das Füllen der Kammern.

Unterstützung für sein Vorhaben erhält Minister Röttgen von der Umweltschutzorganisation BUND. Auch der Atom-Experte der Organisation, Thorben Becker, rät zu weiteren Untersuchungen. In der Frankfurter Rundschau sagte Becker, es sei zu früh für eine Entscheidung. Die Fässer rauszuholen sei eine Lösung mit "riesigen Fragezeichen", weil man viel zu wenig über den Zustand des Atommülls wisse.

Auch Greenpeace hat sich geäußert. Der Atommüll müsse vollständig zurückgeholt werden. Er solle in ein neu zu bauendes oberirdisches Zwischenlager gebracht werden, sagte Heinz Smital, ein Atomphysiker der Umweltorganisation. "Das marode Endlager Asse ist eine Bombe, an der die Lunte bereits brennt." Niemand wisse genau, wie viel und welcher Atommüll in dem früheren Bergwerk lagere. "Klar ist aber, dass die Asse mit Wasser vollläuft und die lecken Atommüllfässer früher oder später das Trinkwasser in der Region radioaktiv verseuchen werden. Daher gibt es zur Bergung des gesamten Mülls keine Alternativ

An den Kosten der Bergung der Fässer und ihrer künftigen Lagerung müssten sich die Stromkonzerne als Hauptverursacher beteiligen. "Es kann nicht sein, dass die Bundesregierung mit den Stromkonzernen über eine Laufzeitverlängerung für alte Atomkraftwerke und damit über ein weiteres Anwachsen des Atommüllberges spricht, während nicht einmal die Altschulden beglichen sind", sagte Smital. 63 Prozent der Radioaktivität im Endlager Asse stammen laut Greenpeace aus dem EnBW-Atomkraftwerk Obrigheim, 6 Prozent aus Abfällen aus RWE-Reaktoren und weitere 2 Prozent aus Atommeilern von E.on und Vattenfall.

Eine Rückholung der Fässer ist aber problematisch. Schon kurz nach Bekanntwerden der Pannenserie im Stollen von Asse 2008, erklärte Klaus-Jürgen Röhlig im Interview mit ZEIT ONLINE, wie schwierig dies sei. Zum einen sei es ein große logistische Herausforderung die Fässer überhaupt zu bergen, sagte der Professor für Endlagersysteme an der Technischen Universität Clausthal. Hinzu komme, dass "die Fässer nicht mehr ganz robust sind, da wird die Handhabung zum Problem." Ganz zu zu schweigen von der Strahlung, der man im ehemaligen Bergwerk ausgesetzt sei.

Inwieweit Atommüll überhaupt endgelagert werden kann ist auch unter Forschern umstritten. Vieles spricht für die Lagerung in einem Salzstock, dieser müsse jedoch komplett abgeschirmt sein, sagt Jan Richard Weber von der der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe.

Die Probleme beim Atommülllager Asse bedeuten aus Sicht des Greenpeace-Experten Smital jedoch auch das Aus für das geplante Endlager im Salzstock Gorleben. "Wer nach den Asse-Erfahrungen in einem Salzstock sogar hoch radioaktive Abfälle für eine Million Jahre einlagern will, gehört eigentlich hinter Schloss und Riegel gesperrt", sagte Smital. "Die Suche muss nun ganz von vorn beginnen."
Quelle: zeit.de


Wolfram König im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur 19.01.2010
Stream 6:46min (klick)

Wolfram König, Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS), erwartet Kosten von mehr als 1,5 Milliarden Euro für die Schließung des Atommülllagers Asse. Gleichzeitig wies er darauf hin, dass es noch keine "belastbaren Schätzungen" gebe.