Sonntag, 21. August 2011

Gorleben: BI zieht Zwischenbilanz – neue Aktenfunde belegen frühes Wissen um Gasfeld / 22.7.11

europaticker: Gasfeld unter Gorleben war schon 1976 bekannt
Gorleben: BI zieht Zwischenbilanz – neue Aktenfunde belegen frühes Wissen um Gasfeld

Mit großer Aufmerksamkeit verfolgt die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg (BI) die Sitzungen des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses (PUA) zu Gorleben, schließlich hatte die Akteneinsicht der BI im August 2008 den Stein ins Rollen gebracht. Schon 1976, vor der offiziellen Benennung des Salzstocks Gorleben als mögliches Atommüll-Endlager, wusste die niedersächsische Landesregierung von möglichen Gasfeldern unter dem Salzstock, geht aus einem Aktenvermerk des damaligen Staatssekretärs im Umweltministerium vom 22. Dezember 1976 hervor indem es heißt: "Sofern (...) Erdgasvorkommen in der Nähe des Salzstocks vorhanden sind, soll deren Ausbeutung (...) nicht erfolgen, da die Endlagerung der hoch radioaktiven Abfälle (...) Vorrang vor der Erdgasversorgung haben soll."

Die Bürgerinitiative (BI) Lüchow-Dannenberg veröffentlichte das Schreiben am Donnerstag auf ihrer Internetseite.

Nach Auswertung der Tiefbohrungen im Raum Gorleben hatte die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB), die vor Gründung des Bundesamtes für Strahlenschutz die Federführung des Gorleben-Projekts inne hatte, empfohlen, auch andere Standorte als Endlager für hochradioaktive Abfälle zu untersuchen. Begründet wurde in den Vorentwürfen des abschließenden sogenannten “Zwischenberichts” 1983 das deutliche Abrücken von Gorleben mit den geologischen Mängeln, vor allem mit der fehlenden abschirmenden Tonschicht und dem Wasserkontakt des Salzstocks.
“Selbst nach Änderung der fachlichen Begründung durch die PTB – nicht mehr die geologischen Mängel, sondern Akzeptanz wurde ins Feld geführt – wurde die Empfehlung der Fachbehörde, nicht nur Gorleben, sondern auch andere Standorte zu untersuchen, durch die Intervention des Kanzleramts, des Innenministeriums und des Wissenschaftsministeriums unter Helmut Kohl (CDU) kassiert”, erinnert die BI. “Einmal Gorleben, immer Gorleben”, so BI-Sprecher Wolfgang Ehmke, lautete die Devise, “die fachliche Auseinandersetzung hat nie eine Rolle gespielt, man brauchte einen Standort als Entsorgungsnachweis.”

Die PUA-Sitzungen mit ihren klaren Fronten – hier die schwarz-gelbe Mehrheit, dort die wachsenden Einsicht der Oppositionsvertreter/innen, denen, je länger sie die Gorleben-Akten studieren, klar werde, dass eine weitere Endlagersuche mit Gorleben im Pool sich sachlich verbiete – seien nicht so interessant, spannender seien die “Zwischentöne”, wie sich Grüne, SPD und Linke zum Neustart der Atommülldebatte mit oder ohne Gorleben im Pool verhielten und weitere Aktenfunde.

Wie die Bi jetzt erfuhr, hat sogar das niedersächsische Kabinett am 21.12.1976, also zwei Monate vor der Gorleben Standortbenennung, von den Gasfeldern gewusst und beschlossen, dass im Falle Gorleben der Atommülllagerung der Vorrang gegenüber der Förderung von Erdgas eingeräumt werden solle. “Die Gasproblematik, also ein Gasfeld unter dem Salzstock und Gaseinschlüsse im Salz, sind ein K.o.- Kriterium”, sagte Ehmke.

Für die BI bestätigt dies ihre schlimmsten Befürchtungen, dass Gorleben nur aus politischen Gründen schön geredet wurde und auch heute noch nachträglich die Anforderungen an den Gorlebener Salzstock an die Realität angepasst werden.

“Diese Lügengeschichte von Gorleben muss ein Ende haben”, so Ehmke: “Wenn für eine Endlagersuche eine glaubwürdige Grundlage geschaffen werden soll, dann muss Gorleben raus. Und zwar sofort.”

Spekulationen über Atom-Endlager im Land beenden

Der Vorsitzende der baden-württembergischen FDP-Landtagsfraktion, Dr. Hans-Ulrich Rülke, und der energiepolitische Sprecher Andreas Glück haben die grün-rote Landesregierung aufgefordert, sich für eine weitere ergebnisoffene Erkundung von Gorleben in der Frage der Endlagerung von hochradioaktiven Abfällen einzusetzen. „Jetzt abzubrechen, wie von der SPD und den Grünen gefordert, ist wissenschaftlich völlig unbegründet“, sagten Rülke und Glück. Weiter sollte Baden-Württemberg die Bundesregierung bei der Ausarbeitung eines gesetzlichen Anforderungskatalogs für die Eignung von Endlager-Standorten aktiv unterstützen, bevor Standorte ins Spiel gebracht werden.

Glück: „Die Landesregierung sollte die Spekulationen über ein Atomendlager in Baden-Württemberg beenden und den Sachverstand der eigenen Landesbehörden zur Kenntnis nehmen.“ So hat das Landesamt für Geologie und Bergbau festgestellt, dass es in Baden-Württemberg keine erkundungswürdigen Salzstöcke und nur wenige Tongesteine gibt.

„Wir wollen die sicherste Endlagerung“, so Andreas Glück. Nach herrschender wissenschaftlicher Meinung sei ein Endlager ohne Rückholoption in einem mächtigen Salzstock die sicherste Möglichkeit. Ministerpräsident Kretschmann stelle sich der gängigen wissenschaftlichen Meinung entgegen, wenn er ein rückholbares Endlager in einer Tonschicht ins Spiel bringe.
Weiterhin berichtet das Landesamt, dass weite Teile Baden-Württembergs aufgrund der Erdbebengefahr für die Endlagerung radioaktiver Abfälle nicht geeignet sein dürften. „Folglich muss die grüne-rote Landesregierung jetzt darangehen, die Erdbebenforschung in Baden-Württemberg zu verstärken“, so der energiepolitische Sprecher.
Dies hätte einen weiteren Effekt: Die Erforschung der Erdbebensituation kann erneut die Tür zur „tiefen Geothermie“ und somit zu einer Zukunftstechnologie aufstoßen. Glück: „Der Ministerpräsident soll erst einmal seine Hausaufgaben in Baden-Württemberg machen, bevor er in einem Schnellschuss Endlager in den Tongesteinen Baden-Württembergs zur Sprache bringt.“
Quelle: http://www.umweltruf.de