Sonntag, 13. November 2011

„Gorleben muss raus aus der Lagersuche“ /12.11.11

Hamburg. Scharfe Kritik an der neuen Endlagersuche kommt von der Anti-Atomkraft-Initiative „.ausgestrahlt“. Es gehe gar nicht um Alternativen zu Gorleben, sagt ihr Sprecher Jochen Stay, unserer Redakteurin Yvonne Stock.

Wie „ergebnisoffen“ ist die Endlagersuche in Ihren Augen?

Der Bevölkerung wird suggeriert, jetzt gehe es um Alternativen zu Gorleben. Das ist falsch. Der Salzstock wird Tag und Nacht zum Endlager ausgebaut. Im Bundeshaushalt 2012 sind 73 Millionen Euro zum Ausbau von Gorleben vorgesehen und nur 3 Millionen Euro zur Suche nach Alternativen.

Was hatten Sie erhofft?
Zumindest einen Baustopp hatten wir erwartet, wenn nicht eine Aufgabe des Projekts. Denn geologisch ist Gorleben ungeeignet.

Warum?
Salz hat den Nachteil, dass es wasserlöslich ist. Wasser ist das Transportmedium unter Tage und wenn die Strahlung erst einmal im Wasser ist, kommt sie überall hin. Zumal der Salzstock Kontakt zum Grundwasser hat. Und es gibt unter dem Salz eine riesige Gasblase sowie im Salzstock Gas-, Öl- und Wassereinschlüsse. Wenn man heißen Atommüll dort einlagert, dehnen diese sich aus, es entstehen Risse, wo das Wasser durchkann. Diese Tatsachen sind schon lange bekannt, sie spielen aber in der Diskussion keine Rolle.

Warum nicht?
Es ging nie um Geologie, sondern immer um Politik. Gorleben war für die Atomkraftwerksbetreiber lange eine Art Lebensversicherung. AKW wurden nur genehmigt, wenn es bei der Endlagersuche Fortschritte gab. Und die konnten dann immer auf Gorleben verweisen.

Die Opposition im Niedersächsischen Landtag hat heute den Ministerpräsidenten David McAllister (CDU) aufgefordert, gegen ein Endlager in Gorleben zu kämpfen. Trauen Sie ihm das zu?

McAllister bewegt sich schrittchenweise von Gorleben weg. Er hat die Landtagswahlen 2013 und schlechte Umfragewerte im Auge. Deshalb bewegt er sich. Aber der entscheidende Schritt fehlt noch: Eine Absage an Gorleben.

Wie müsste denn eine Suche nach einem Endlager aussehen?

Zunächst einmal darf nicht weiter Atommüll produziert werden. Gorleben muss raus aus der Suche, sonst wird es Gorleben auch werden. Es dürfen nicht die gleichen Wissenschaftler mit der Suche beauftragt werden, die Morsleben und die Asse fatalerweise für sicher erklärt haben. Erst braucht es Einigkeit über die Lagermethode, dann standortunabhängige Kriterien und erst am Ende macht es Sinn, konkrete Standorte zu suchen.

Vor kurzem hat Gorleben mit erhöhten Strahlenwerten für Schlagzeilen gesorgt. Die Landesregierung wiegelt ab. Was stimmt?

Die Landesbehörde, die Physikalisch-Technische Bundesanstalt und der TÜV haben dieselben Werte gemessen. Aber dann wurden unterschiedliche Zahlen für die natürliche Hintergrundstrahlung aus dem Erdreich abgezogen. Damit man unter den Grenzwerten bleibt, hat das niedersächsische Umweltministerium zu hohe Werte abgezogen.

Einige Politiker fordern deshalb, den Castor-Transport zu stoppen. Geht das noch?

Ja, natürlich. In dem Augenblick, wo Grenzwerte überschritten werden, darf nicht eingelagert werden. Aber ich halte diese Einsicht für unwahrscheinlich.

Sie rufen für den 26. November zu einer Demonstration im Wendland auf. Sind die Menschen nach dem Atomausstieg noch mobilisierbar?

Es laufen noch neun AKW. Die Endlagerfrage ist für viele Menschen ein Thema. Es werden vielleicht nicht so viele wie im Ausnahmejahr 2010 kommen, aber viel mehr als in den Jahren davor.

Das BKA hat vor heftigen Krawallen von Linksautonomen gewarnt. Glauben Sie daran?

Nein, die warnen jedes Mal. Es gibt eine große Einigkeit unter allen unterschiedlichen Protestgruppen, dass keine Menschen gefährdet werden sollen.

Quelle: http://www.nordsee-zeitung.de