Montag, 20. Oktober 2008

AKW-Betreiber wollen Atomausstiegsvertrag brechen/19.10.08

gelesen bei welt online
Die Abschaltung von Kernkraftwerken im Zuge des Atomausstiegs verzögert sich bis nach der Bundestagswahl im September 2009. Die beiden ältesten Meiler in Deutschland, Neckarwestheim 1 und Biblis A, bleiben vermutlich bis 2010 am Netz. Angeblich verhindern Wartungsarbeiten die Stilllegungen.

Der Ausstieg aus der Atomenergie verzögert sich offenbar. Die beiden ältesten deutschen Kernkraftwerke, Neckarwestheim 1 und Biblis A, werden nicht wie ursprünglich geplant noch vor der Bundestagswahl im September 2009 vom Netz gehen. Die Stilllegung der Meiler verschiebe sich mindestens bis 2010, wie die Energiekonzerne EnBW und RWE mitteilten. Grund seien turnusmäßige Wartungsarbeiten.

Die Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, Renate Künast, sprach dagegen in der „Welt am Sonntag“ von „miesen Tricks der Atomlobby“. Die Energiekonzerne würden die Abschaltung der Kernkraftwerke bewusst hinauszögern, weil sie nach der Bundestagswahl auf einen atomkraftfreundlicheren Kurs in Berlin hofften. Damit zeige die Branche, dass sie nicht zu dem Atomkonsens steht, den sie selbst unterschrieben hat.

Nach dem Gesetz zum Atomausstieg von 2002 ergeben sich für die deutschen Kernkraftwerke durchschnittliche Gesamtlaufzeiten von 32 Jahren, wobei sich die jetzt noch verbleibenden Restlaufzeiten nicht nach Jahren, sondern nach produzierter Strommenge berechnen. So hat etwa Neckarwestheim 1 in Baden-Württemberg noch eine Restlaufzeit von rund 300 Tagen bis zum 15. August 2009. Derzeit steht der Meiler jedoch still. Es laufe eine „planmäßige Revision, in deren Rahmen aufwendige Instandhaltungsarbeiten durchgeführt werden müssen“, sagte EnBW-Sprecher Dirk Ommeln. Die Arbeiten könnten noch Wochen dauern. Und so werde die Anlage vermutlich auch noch Anfang 2010 am Netz sein.

Ähnlich ist die Situation im südhessischen Biblis. Nach Berechnungen des Bundesumweltministeriums dürfte der Reaktor BiblisA jetzt noch durchgehend bis zum 30 August 2009 Strom produzieren. Doch das Kernkraftwerk soll zwischen dem 27. Februar und 15. September 2009 für eine seit langem angekündigte Revision vom Netz gehen. Die dann noch verbleibenden Restlaufzeiten würden mindestens einen Betrieb bis zum Frühjahr 2010 erlauben. Bereits im vergangenen Jahr hatte RWE-Chef Jürgen Großmann in einem „Spiegel“-Interview erklärt, sein Unternehmen werde in dieser Legislaturperiode kein Kernkraftwerk abschalten.

Der Reaktor BiblisA könne so gefahren werden, „dass wir mit den Restlaufzeiten über die nächste Bundestagswahl kommen“, sagte Großmann. Danach gebe es dann vielleicht ein anderes Denken in Bevölkerung und Regierung. Derzeit liefern in Deutschland noch 17 Kernkraftwerke in fünf Bundesländern Strom. Die Meiler in Stade und Obrigheim sind bereits 2003 und 2005 planmäßig vom Netz gegangen. Auch das Kernkraftkraft im schleswig-holsteinischen Brunsbüttel sollte eigentlich bald abgeschaltet werden. Doch da es seit anderthalb still steht und Reparaturarbeiten durchgeführt werden, dürften die Restlaufzeiten noch bis in das Jahr 2010 reichen.

Unabhängig von der aktuellen Diskussion über mögliche Laufzeitverlängerungen hatten sich Union und SPD in ihrem Koalitionsvertrag ursprünglich darauf verständigt, noch in dieser Legislaturperiode die Frage der Endlagerung von hochradioaktivem Atommüll zu klären. Doch nun werde die große Koalition dieses Thema wohl nicht mehr angehen, wie der „Focus“ unter Berufung auf Informationen aus dem Kanzleramt meldete. Zu groß seien die Meinungsunterschiede.

So fordert die Union, den Salzstock Gorleben in Niedersachen zügig von internationalen Experten auf seine Eignung prüfen zu lassen und zum Endlager auszubauen. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) will sich jedoch nicht auf Gorleben festlegen, sondern gleichzeitig auch mögliche andere Standorte auf ihre Eignung prüfen lassen. Seit 1979 wird der Salzstock Gorleben erkundet, bis die rot-grüne Bundesregierung im Jahr 2000 ein zehnjähriges Endlagermoratorium verhängte.

Im Atommüll-Zwischenlager in Gorleben stehen bereits 80 Spezialbehälter mit Atommüll. Kurz vor den nächsten Castor-Transporten aus der französischen Wiederaufarbeitungsanlage La Hague haben Atomkraftgegner am 8. November eine Großdemonstration in Gorleben und Blockaden am 9. und 10. November auf der Castor-Transportstrecke angekündigt.
Quelle: welt online

Mit WiderSetzen in Hitzacker an die Transportstrecke