Donnerstag, 30. Oktober 2008

AKW-Gegner wollen das Versammlungsverbot ignorieren /28.10.08

gelesen bei Neues Deutschland
Castorprotest unerwünscht
AKW-Gegner wollen das Versammlungsverbot ignorieren
Von Reimar Paul

Die Polizei möchte die anstehenden Proteste gegen den Castortransport nach Gorleben durch Verbote unterbinden. Für die AKW-Gegner ist dies zusätzliche Motivation.
Demonstrationsverbot? Da kann die ältere Dame, die am Sonntagmittag mit einigen Dutzend Gleichgesinnten am Dannenberger Verladebahnhof gegen den bevorstehenden Castortransport protestierte, nur lachen. »Daran hält sich hier doch keiner«, sagt sie. »Eher kommen dadurch noch mehr Leute, um uns zu unterstützen.«

Wie in den vergangenen Jahren hat die Polizeidirektion Lüneburg im Vorfeld des Atommülltransportes nach Gorleben ihre sogenannte »Allgemeinverfügung über eine räumliche und zeitliche Beschränkung des Versammlungsrechts« veröffentlicht. Danach sind entlang der Transportroute zwischen Lüneburg und Gorleben vom 8. bis 18. November alle unangemeldeten Demonstrationen sowie ab dem 9. November grundsätzlich alle Versammlungen untersagt – die bundesweite Demo in Gorleben am 8. November ist also nicht betroffen. Außer für einen 100 Meter breiten Korridor an den Bahnschienen und Straßen gilt das Demo-Verbot für einen 500-Meter-Radius um das Zwischenlager.

Die Polizei beruft sich auf das Versammlungsgesetz. Dieses sieht vor, dass die zuständigen Behörden Kundgebungen untersagen können, wenn durch diese die öffentliche Sicherheit oder Ordnung gefährdet ist. Eine solche Gefährdung glaubt die Polizei erkannt zu haben: »Es besteht gegenwärtig eine auf Tatsachen und Erkenntnisse gestützte Gefahrenprognose, dass hochwertige Rechtsgüter sowohl Dritter als auch der Allgemeinheit bei, während und im Umfeld der beabsichtigten Demonstrationen gefährdet werden«, heißt es unter Hinweis auf im Internet kursierende Protestaufrufe. Die Polizei hebt hervor, dass sich in diesem Jahr Vertreter der LINKEN sowie »mehrere prominente Politiker von Bündnis90/Die Grünen« an der Auftaktdemo als auch an den Blockaden beteiligen wollen.

»Die Verbotsverfügung ist demokratiefeindlich«, konstatiert die Bürgerinitiative (BI) Umweltschutz Lüchow-Dannenberg. Eine tatsächliche Begründung fehle in der Anzeige, ein polizeilicher Notstand könne nicht nachgewiesen werden. BI-Sprecher Wolfgang Ehmke verweist darauf, dass vor dem Bundesverfassungsgericht noch eine Beschwerde der Atomkraftgegner gegen die Allgemeinverfügung aus dem Jahr 2003 anhängig ist.

»Wer meint, den legitimen Protest vieler tausend Menschen damit unterdrücken zu können, dass er ein Grundrecht für mehrere Tage außer Kraft setzt, hat überhaupt nichts verstanden«, sagt Jochen Stay von der Initiative »X-tausendmal quer«. Die Atomkraftgegner ließen sich bekanntlich auch durch Verbote nicht davon abhalten, ihren Protest gegen Castortransporte und die drohende Verlängerung der AKW-Laufzeiten auf die Straße zu tragen. »Es ist gute wendländische Tradition, dass sich an diese Verbote kein Mensch hält«, so Stay. »X-tausendmal quer« hat angekündigt, den Castortransport durch eine große Sitzblockade in dem Dorf Gorleben zu stoppen.

Die wendländische Aktionsgruppe »Widersetzen« bekräftigte gestern gleichfalls ihre Absicht zu einer Sitzblockade auf den Schienen. »Wenn der Castorzug sich Hitzacker nähert, werden wir auf den Gleisen sitzen und diese freiwillig nicht wieder verlassen«, erklärt Sprecher Hauke Nissen. Unter anderem mit dieser Aktion habe die Polizei schließlich ihre Allgemeinverfügung begründet: »Diese Aufmerksamkeit möchten wir nicht enttäuschen.«

Auch die demonstrierende Dame aus Dannenberg hat noch einen guten Spruch parat. Es sei nicht so, wie von SPD-Fraktionschef Peter Struck behauptet, dass Freiheit und Demokratie am Hindukusch verteidigt würden. »Freiheit und Demokratie«, sagt sie, »werden in Gorleben verteidigt.«
Quelle: Neues Deutschland