Quelle: taz.de
Ein Kommentar von Wolfgang Ehmke
Die Atomlobby verbreitet Optimismus und proklamiert ihre Renaissance. Der mediale Hype dauert an: Mal mutiert Atomstrom zu Ökostrom, mal soll das Atom als Billigstrom davongaloppierende Energiepreise zügeln. Die CDU/CSU macht sich für eine Laufzeitverlängerung der 17 verbliebenen Atomkraftwerke stark, sogar Neubauten fordern einige Konservative. Beim Wahlvolk soll ankommen: Wenn ein Liter Benzin 1,60 Euro kosten, dann hilft nur die Atomkraft.
Was die Protagonisten der Atomkraft verschweigen: Sie kommt teuer. Nehmen wir das Vorzeigeobjekt, das finnische Atomkraftwerk Olkiluoto. Zum Festpreis von 3,2 Milliarden Euro wollten Siemens und Framatome das erste Kraftwerk der "neuen Reaktorgeneration" errichten. Start der Stromproduktion sollte das Jahr 2009 sein. Jetzt werden Mehrkosten von 1,5 Milliarden Euro fällig. Zudem ist das Kraftwerk nicht fertig; vor 2012 wird das AKW keinen Strom liefern. Die sogenannte Lead Time - Planung, Antrag, erster Spatenstich bis hin zur Stromproduktion - beträgt im Schnitt 17 Jahre. Von den 34 Atomkraftwerken, die weltweit neu errichtet werden, sind 12 Altmeiler, die schon seit über 20 Jahren in Bau sind. 439 Atomkraftwerke werden im Jahr 2008 gezählt, fünf weniger als im Jahr 2002. Das ist gut zu wissen, wenn von der angeblichen Renaissance der Atomkraft die Rede ist. Ebenso sollte nicht aus dem Blick geraten, dass inzwischen auch der Uranpreis für 1 Pfund (lb) von 7 US-Dollar im Jahr 2000 auf 36 US-Dollar 2006 angezogen hat.
Der Spotpreis an der Leipziger Energiebörse beträgt für die Grundlast 5,64 Cent pro Kilowattstunde. Die Stromkonzerne beziffern die Produktionskosten für Atomstrom mit 3 bis 4 Eurocent. Da scheint die Atomkraft profitabel und kostengünstig. Kostengünstig? Nicht für den Verbraucher. Lutz Mez von der Forschungsstelle Umweltpolitik der FU Berlin erklärt: Der Börsenpreis wird nach den Produktionskosten des teuersten Kraftwerks ermittelt, das am Netz ist.
Das ist äußerst profitabel. Abgeschriebene Atomkraftwerke spülen so den Konzernen einen Extragewinn von 200 bis 300 Millionen Euro jährlich in die Kasse, denn Strom aus den Altreaktoren ist in der Tat billiger als Strom aus Kohle, Gas oder Wind. Dies gilt allerdings nur, weil implizite Begünstigungen nicht mitgerechnet werden. So profitieren die AKW-Betreiber seit Jahrzehnten davon, dass fossile Brennstoffe besteuert werden, während Kernbrennstoffe befreit sind. Niemand hat bislang den Versuch unternommen, diesen Kostenvorteil zu berechnen. Zudem durften die Konzerne rund 30 Milliarden Euro für den Rückbau von Atomanlagen und die Endlagerung zurückstellen. Auf diese Teile ihres Gewinns mussten sie niemals Steuern zahlen.
Andere Begünstigungen sind nicht implizit, sondern schlicht in Haushaltstiteln verschiedener Ressorts versteckt. Staatliche und stattliche Summen fließen immer noch in die Forschung. 3,1 Milliarden Euro sind es zwischen 2007 und 2011 für die Euratom. Für den Bau von Forschungsreaktoren zahlten die Steuerzahler in Deutschland etwa 20 Milliarden Euro; der öffentliche Finanzierungsanteil an gescheiterten Projekten wie dem Schnellen Brüter Kalkar, der Wiederaufbereitungsanlage (WAA) Wackersdorf, der WAA Karlsruhe oder dem Kugelhaufenreaktor in Hamm-Uentrop beläuft sich auf rund 9 Milliarden Euro. Die Sanierung des Urantageabbaugebiets Wismut kostete 6,2 Milliarden Euro. Mit 0,5 Milliarden Euro fällt der Abriss des Versuchsreaktors Jülich noch bescheiden aus.
Die Summe derartiger direkt berechenbarer Begünstigungen für den Zeitraum 1956 bis 2006 beträgt nach Angaben des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) 45,2 Milliarden Euro. Überschlägt man die Forschungsausgaben der Bundesländer und der EU, so lagen die öffentlichen Ausgaben für die Atomenergie in diesem Zeitraum bei etwa 50 Milliarden Euro. Das DIW hat die öffentlichen Ausgaben - bezogen auf eine kumulierte atomare Stromerzeugung von rund 4.100 Terra Wattstunden bis Ende 2006 - auf eine Kilowattstunde Atomstrom umgerechnet: Es ergibt sich ein Subventionsbetrag von 1,2 Eurocent pro Kilowattstunde.
Nicht eingerechnet wurden die anstehenden Ausgaben für die havarierten Atommüllendlager. In der Asse II bei Wolfenbüttel wurden in den 60er-Jahren von der Gesellschaft für Strahlenforschung (GSF) 124.494 Fässer mit schwachaktivem und 1.293 Fässer mit mittelaktivem Müll gestapelt und in Bergwerken eingelagert. Diese Deponie galt als Versuchsfeld, als Pilotanlage für Gorleben, und sie säuft jetzt ab. Die Kosten für die Sanierung der Asse II, sollte das überhaupt noch möglich sein, gibt die GSF - heute Helmholtz Zentrum - mit 2 bis 3 Milliarden Euro an.
Das zweite atomare Endlager, die Kaligrube Morsleben, drohte ebenfalls einzustürzen und wurde eilig dichtgemacht. Das Bundesamt für Strahlenschutz hat gerade die Ausschreibung veröffentlicht; für 1,2 Milliarden Euro soll die Kaligrube stabilisiert werden.
Nahe der Atommeiler oder auch in Ahaus und Gorleben warten derweil in luftigen Hallen hochradioaktive Abfälle. In Gorleben sind bisher 80 Castoren auf 420 Stellplätze verteilt. Die Kosten für die Polizei, die die Castortransporte "sichert", summieren sich übrigens auch schon auf 3 Milliarden Euro. Okay, das liegt am Widerstand - der hat eben auch seinen Preis.
Die verheerendsten externen Kosten lasse ich mal außen vor, nämlich die volkswirtschaftlichen Kosten für einen Super-GAU, die nach Berechnungen des Bundeswirtschaftsministeriums bei 5.000 Milliarden Euro liegen. 2001 wurde die Deckungsvorsorge für Reaktorunfälle auf nur 2,5 Milliarden Euro erhöht. Würde hingegen das volle Risiko versichert, würde sich eine Kilowattstunde Atomstrom um 5 Eurocent erhöhen. Wolfgang Irrek vom Wuppertal Institut sieht vor allem in der Haftpflicht einen entscheidenden Hebel zur Herstellung von Kostengerechtigkeit. Auch er verweist auf die Rückstellungsmilliarden.
Atomstrom ist also nicht billig, wie sich auch bei den Reaktorneubauten zeigt. So verweist Lutz Mez von der FU Berlin darauf, dass bei den EPR-Neubauplänen in Finnland und Frankreich die Produktionskosten einer Kilowattstunde bei 10 Cent liegen, wenn man realistische 6,3 Milliarden Euro Investitionskosten annimmt. Bei einem modernen Gaskraftwerk (GuD) beläuft sich der Produktionspreis nur noch auf 3,5 Cent. Auch die Produktionskosten für Windenergie im Inland liegen nur noch bei 6 bis 10 Cent, Strom aus Wasserkraft kostet zwischen 3 und 10 Cent.
Ohne direkte und indirekte Subventionierung gehen die Kostenvorteile des Atomstroms gegen null. Hinzu kommt, dass die Atomkraft eine Risikotechnologie ist. Die Gefahr eines GAUs, die mögliche Nutzung der Technologie für militärische Zwecke sowie das Atommülldesaster können Schäden hinterlassen, die in Euros nicht mehr auszudrücken sind.
Bild oben: Wolfgang Ehmke, fotografiert von Wolfgang Korall
Quelle: taz.de
Ein Kommentar von Wolfgang Ehmke
Die Atomlobby verbreitet Optimismus und proklamiert ihre Renaissance. Der mediale Hype dauert an: Mal mutiert Atomstrom zu Ökostrom, mal soll das Atom als Billigstrom davongaloppierende Energiepreise zügeln. Die CDU/CSU macht sich für eine Laufzeitverlängerung der 17 verbliebenen Atomkraftwerke stark, sogar Neubauten fordern einige Konservative. Beim Wahlvolk soll ankommen: Wenn ein Liter Benzin 1,60 Euro kosten, dann hilft nur die Atomkraft.
Was die Protagonisten der Atomkraft verschweigen: Sie kommt teuer. Nehmen wir das Vorzeigeobjekt, das finnische Atomkraftwerk Olkiluoto. Zum Festpreis von 3,2 Milliarden Euro wollten Siemens und Framatome das erste Kraftwerk der "neuen Reaktorgeneration" errichten. Start der Stromproduktion sollte das Jahr 2009 sein. Jetzt werden Mehrkosten von 1,5 Milliarden Euro fällig. Zudem ist das Kraftwerk nicht fertig; vor 2012 wird das AKW keinen Strom liefern. Die sogenannte Lead Time - Planung, Antrag, erster Spatenstich bis hin zur Stromproduktion - beträgt im Schnitt 17 Jahre. Von den 34 Atomkraftwerken, die weltweit neu errichtet werden, sind 12 Altmeiler, die schon seit über 20 Jahren in Bau sind. 439 Atomkraftwerke werden im Jahr 2008 gezählt, fünf weniger als im Jahr 2002. Das ist gut zu wissen, wenn von der angeblichen Renaissance der Atomkraft die Rede ist. Ebenso sollte nicht aus dem Blick geraten, dass inzwischen auch der Uranpreis für 1 Pfund (lb) von 7 US-Dollar im Jahr 2000 auf 36 US-Dollar 2006 angezogen hat.
Der Spotpreis an der Leipziger Energiebörse beträgt für die Grundlast 5,64 Cent pro Kilowattstunde. Die Stromkonzerne beziffern die Produktionskosten für Atomstrom mit 3 bis 4 Eurocent. Da scheint die Atomkraft profitabel und kostengünstig. Kostengünstig? Nicht für den Verbraucher. Lutz Mez von der Forschungsstelle Umweltpolitik der FU Berlin erklärt: Der Börsenpreis wird nach den Produktionskosten des teuersten Kraftwerks ermittelt, das am Netz ist.
Das ist äußerst profitabel. Abgeschriebene Atomkraftwerke spülen so den Konzernen einen Extragewinn von 200 bis 300 Millionen Euro jährlich in die Kasse, denn Strom aus den Altreaktoren ist in der Tat billiger als Strom aus Kohle, Gas oder Wind. Dies gilt allerdings nur, weil implizite Begünstigungen nicht mitgerechnet werden. So profitieren die AKW-Betreiber seit Jahrzehnten davon, dass fossile Brennstoffe besteuert werden, während Kernbrennstoffe befreit sind. Niemand hat bislang den Versuch unternommen, diesen Kostenvorteil zu berechnen. Zudem durften die Konzerne rund 30 Milliarden Euro für den Rückbau von Atomanlagen und die Endlagerung zurückstellen. Auf diese Teile ihres Gewinns mussten sie niemals Steuern zahlen.
Andere Begünstigungen sind nicht implizit, sondern schlicht in Haushaltstiteln verschiedener Ressorts versteckt. Staatliche und stattliche Summen fließen immer noch in die Forschung. 3,1 Milliarden Euro sind es zwischen 2007 und 2011 für die Euratom. Für den Bau von Forschungsreaktoren zahlten die Steuerzahler in Deutschland etwa 20 Milliarden Euro; der öffentliche Finanzierungsanteil an gescheiterten Projekten wie dem Schnellen Brüter Kalkar, der Wiederaufbereitungsanlage (WAA) Wackersdorf, der WAA Karlsruhe oder dem Kugelhaufenreaktor in Hamm-Uentrop beläuft sich auf rund 9 Milliarden Euro. Die Sanierung des Urantageabbaugebiets Wismut kostete 6,2 Milliarden Euro. Mit 0,5 Milliarden Euro fällt der Abriss des Versuchsreaktors Jülich noch bescheiden aus.
Die Summe derartiger direkt berechenbarer Begünstigungen für den Zeitraum 1956 bis 2006 beträgt nach Angaben des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) 45,2 Milliarden Euro. Überschlägt man die Forschungsausgaben der Bundesländer und der EU, so lagen die öffentlichen Ausgaben für die Atomenergie in diesem Zeitraum bei etwa 50 Milliarden Euro. Das DIW hat die öffentlichen Ausgaben - bezogen auf eine kumulierte atomare Stromerzeugung von rund 4.100 Terra Wattstunden bis Ende 2006 - auf eine Kilowattstunde Atomstrom umgerechnet: Es ergibt sich ein Subventionsbetrag von 1,2 Eurocent pro Kilowattstunde.
Nicht eingerechnet wurden die anstehenden Ausgaben für die havarierten Atommüllendlager. In der Asse II bei Wolfenbüttel wurden in den 60er-Jahren von der Gesellschaft für Strahlenforschung (GSF) 124.494 Fässer mit schwachaktivem und 1.293 Fässer mit mittelaktivem Müll gestapelt und in Bergwerken eingelagert. Diese Deponie galt als Versuchsfeld, als Pilotanlage für Gorleben, und sie säuft jetzt ab. Die Kosten für die Sanierung der Asse II, sollte das überhaupt noch möglich sein, gibt die GSF - heute Helmholtz Zentrum - mit 2 bis 3 Milliarden Euro an.
Das zweite atomare Endlager, die Kaligrube Morsleben, drohte ebenfalls einzustürzen und wurde eilig dichtgemacht. Das Bundesamt für Strahlenschutz hat gerade die Ausschreibung veröffentlicht; für 1,2 Milliarden Euro soll die Kaligrube stabilisiert werden.
Nahe der Atommeiler oder auch in Ahaus und Gorleben warten derweil in luftigen Hallen hochradioaktive Abfälle. In Gorleben sind bisher 80 Castoren auf 420 Stellplätze verteilt. Die Kosten für die Polizei, die die Castortransporte "sichert", summieren sich übrigens auch schon auf 3 Milliarden Euro. Okay, das liegt am Widerstand - der hat eben auch seinen Preis.
Die verheerendsten externen Kosten lasse ich mal außen vor, nämlich die volkswirtschaftlichen Kosten für einen Super-GAU, die nach Berechnungen des Bundeswirtschaftsministeriums bei 5.000 Milliarden Euro liegen. 2001 wurde die Deckungsvorsorge für Reaktorunfälle auf nur 2,5 Milliarden Euro erhöht. Würde hingegen das volle Risiko versichert, würde sich eine Kilowattstunde Atomstrom um 5 Eurocent erhöhen. Wolfgang Irrek vom Wuppertal Institut sieht vor allem in der Haftpflicht einen entscheidenden Hebel zur Herstellung von Kostengerechtigkeit. Auch er verweist auf die Rückstellungsmilliarden.
Atomstrom ist also nicht billig, wie sich auch bei den Reaktorneubauten zeigt. So verweist Lutz Mez von der FU Berlin darauf, dass bei den EPR-Neubauplänen in Finnland und Frankreich die Produktionskosten einer Kilowattstunde bei 10 Cent liegen, wenn man realistische 6,3 Milliarden Euro Investitionskosten annimmt. Bei einem modernen Gaskraftwerk (GuD) beläuft sich der Produktionspreis nur noch auf 3,5 Cent. Auch die Produktionskosten für Windenergie im Inland liegen nur noch bei 6 bis 10 Cent, Strom aus Wasserkraft kostet zwischen 3 und 10 Cent.
Ohne direkte und indirekte Subventionierung gehen die Kostenvorteile des Atomstroms gegen null. Hinzu kommt, dass die Atomkraft eine Risikotechnologie ist. Die Gefahr eines GAUs, die mögliche Nutzung der Technologie für militärische Zwecke sowie das Atommülldesaster können Schäden hinterlassen, die in Euros nicht mehr auszudrücken sind.
Bild oben: Wolfgang Ehmke, fotografiert von Wolfgang Korall
Quelle: taz.de