Donnerstag, 14. August 2008

BMU will Endlagerkriterium Mehrbarrierensystem fallenlassen /14.08.08

Entwurf: Bundesumweltministerium will Endlager-Sicherheitskriterium Mehrbarrierensystem fallenlassen.
Das bisher geforderte geologische Mehrbarrierensystem des Deckgebirges über einem atomaren Endlager wird als Kriterium womöglich fallengelassen. Dies ergibt sich aus dem jetzt vorliegenden Entwurf des Bundesumweltministeriums (BMU) für »Sicherheitsanforderungen an die Endlagerung wärmeentwickelnder radioaktiver Abfälle».

Die Diskussion über Sicherheitskriterien wird damit neu eröffnet. Denn bisher war das fehlende Mehrbarrierensystem über dem Salzstock in Gorleben immer ein wichtiges Argument gegen das Gorleben-Projekt. Grundlage des BMU-Entwurfs sind Stellungnahmen der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS), des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) sowie der Reaktorsicherheits- und Strahlenschutzkommission (RSK und SSK). Das BMU bezeichnet die in seinem Entwurf skizzierten Sicherheitsanforderungen als »streng» -es würden »neue Maßstäbe» gesetzt, die den Stand von Wissenschaft und Technik konkretisierten. Bewusst keine Aussagen macht der Entwurf über das Wirtsgestein, in dem eines Tages hochradioaktiver Atommüll eingelagert werden soll. Auf dem Endlager-Symposium in Berlin sollen die Sicherheitskriterien am 1. November vertieft werden. Das BMU sieht den Entwurf als eine Diskussionsgrundlage.

Das BMU fordert in seinem Entwurf vor allem dreierlei:
» Ein Endlager müsse die radioaktiven Abfälle für eine Million Jahre sicher einschließen
» Die Abfallbehälter müssten so stabil sein, dass die Abfälle für mindestens 500 Jahre in den Behältern verbleiben
» Auch mit dem Blick auf mögliche Terrorattacken müsse dargelegt werden, welche Bereiche um ein Endlager herum vor menschlichen Eingriffen geschützt werden müssten.

Im BMU-Entwurf ist nicht mehr die Rede vom Mehrbarrierensystem des Deckgebirges. Vielmehr heißt es jetzt, ohne Verweis auf das Deckgebirge: »Die Sicherheit des Endlagers (...) ist durch ein gestaffeltes Barrieresystem sicherzustellen, das seine Funktionen passiv und wartungsfrei erfüllt. Der langfristige Einschluss muss im Wesentlichen durch die geotechnischen und geologischen Barrieren sichergestellt werden». Wie die aussehen sollen: keine Angabe.

Orientiert hat sich das BMU dabei offenbar an den Stellungnahmen des BfS und der GRS. Beim BfS ist vieldeutig die Rede von einem »gestaffelten und robusten System mehrerer Sicherheitsfunktionen». Geologische und geotechnische Barrieren spielten dabei eine wichtige Rolle. Wie die aussehen sollen: keine Angabe. Oder die GRS: »Die hydrogeologischen Verhältnisse im Deckgebirge (...) können aufgrund klimatischer Entwicklungen großen Umwälzungen unterliegen, so dass eine wissenschaftlich fundierte Charakterisierung dieses Teilsystems nicht mehr möglich ist.» Das seien »wenig konkrete Anforderungen» an die technischen und natürlichen Barrieren, kritisieren RSK und SSK in ihrer Stellungnahme. Sie fordern eine »Vertiefung der qualitativen Anforderungen an die Barriere». Die ergebe sich auch durch Gesteinsschichten, die außerhalb des einschlusswirksamen Gebirgsbereichs lägen. Doch auch RSK und SSK plädieren dafür, den Terminus »Mehrbarrierensystem» nicht mehr zu verwenden: Diverse Gesteinsschichten wären gar nicht nötig, wenn denn das Barrieresystem insgesamt »robust» genug wäre. Aus internationalen Empfehlungen ließen sich jedenfalls keine Vorgaben für die Anzahl von technischen und geologischen Barrieren ableiten.
Quelle: ELBE-JEETZEL-ZEITUNG

Lesen Sie hierzu auch die Stellungnahme der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg e.V.:
BI Umweltschutz kritisiert Abrücken vom Mehrbarrierensystem