Sonntag, 10. August 2008

Entsorgungskommission hält Salzstock in Asse für falschen Atommüll-Lagerort /07.08.08

Deutschlandradio Kultur im Interview
Michael Sailer: Auch in Gorleben wurde jahrelang vor sich hingewurstelt

Michael Sailer im Gespräch mit Marcus Pindur

Der Vorsitzender der Entsorgungskommission und Berater des Bundesumweltministeriums, Michael Sailer, hat eingeräumt, dass es für die Probleme im Atommülllager Asse bei Wolfenbüttel bisher keine überzeugenden Lösungen gibt. Das frühere Bergwerk sei "sicher der falsche Ort für Atommüll", sagte Sailer.

Marcus Pindur: Je höher die Energiepreise steigen, desto heftiger wird die Debatte um die Verlängerung der Laufzeiten für Kernkraftwerke in Deutschland geführt. Die Gegner weisen allerdings immer wieder darauf hin, dass eines der größten Probleme die nicht gelöste Frage der Endlagerung von Atommüll sei. Aufgeschreckt wurden wir dann auch noch über die Meldung über Wassereinbrüche im Atommülllager Asse II bei Wolfenbüttel, wo bis 1978 gering bis mittel verstrahlter Atommüll gelagert wurde. Und wir sprechen jetzt mit Michael Sailer. Er ist Vorsitzender der Entsorgungskommission des Bundesumweltministeriums. Guten Morgen, Herr Sailer!

Michael Sailer: Ja, guten Morgen!

Pindur: Lassen Sie uns zunächst mal bei Asse II bleiben, was ist denn dort das Problem? Wir hören, dass dort Wasser eindringt.

Sailer: Das Hauptproblem sind zwei Dinge. Die Asse war ja früher ein Kali- und Steinsalzbergwerk. Wir haben sehr große Räume, viele Millionen Kubikmeter ausgehöhlt dort. Und deswegen ist das Bergwerk in sich instabil. Und das hängt wahrscheinlich damit zusammen mit dem zweiten großen Problem, dass seit 1988 permanent Wasser von außerhalb des Salzstocks in den Salzstock kommt. Zurzeit sind es etwa zwölf Kubikmeter pro Tag.

Pindur: Es ist davon die Rede, dass die Betreiberfirma das Bergwerk fluten will und die Lagerstätten mit sogenannten Betonpfropfen verschließen. Ist das ein gangbarer Weg?

Sailer: Das ist eine der Fragen, die die Entsorgungskommission jetzt dieses Jahr prüfen soll. Insofern kann ich Ihnen da natürlich keine abschließende Antwort geben. Die Fragen, die sich eben aus der Öffentlichkeit und aus der Fachwelt stellen, sind eigentlich, kann man wirklich mit Flüssigkeit verfüllen, auf der anderen Seite, wie kann ich das Bergwerk so stabilisieren, dass das Mit-dem-Wasser-Eindringen-von-Außerhalb nicht noch schlimmer wird, denn das könnte auch zu einer katastrophalen Situation führen, wenn sich das vergrößert. Man sitzt also unter Zeitdruck und hat bisher keine Lösungen, die alle überzeugen. Nur man weiß, man muss was machen, weil wenn man nichts macht, kommt es auch zu einer schlimmen Situation.

Pindur: Noch zur Erklärung für unsere Hörer: Die Entsorgungskommission wird vom Bundesumweltministerium berufen, ist aber nicht weisungsgebunden, ein Expertengremium. Auch in Gorleben hat man ja einen Salzstock. Wäre denn Ihrer Ansicht nach Gorleben als deutsches Atommüll-Endlager ein sicheres Lager?

Sailer: Wir haben ja in Norddeutschland eine ganze Reihe von Salzstöcken, nicht nur Gorleben. Und eine der Grundregeln, die man unter Fachleuten hat, ist, dass man ein Endlager im Salzstock nur dann einrichten kann, wenn in dem Salzstock noch nie Bergbau stattgefunden hat.

Eine zweite Grundregel ist, dass man ihn so gut kennt, dass man ausschließen kann, dass Wegsamkeiten für Wasser von außerhalb des Salzstocks in die Kammern, wo dann der Atommüll gelagert wird, reinkommen. Und das muss man in Gorleben prüfen. Das kann und sollte man auch in anderen Salzstöcken prüfen. Aber ein Salzstock wie Asse, in dem ein Bergwerk über viele Jahrzehnte in Betrieb war, ist sicher der falsche Ort für Atommüll.

Pindur: Man prüft in Gorleben jetzt schon seit 30 Jahren. Wann kommt denn das Verfahren mal an ein Ende?

Sailer: Also in Gorleben ist ja, wenn man so sagen will, vor sich hingewurstelt worden. Man hat gewisse Untersuchungspläne gemacht, man hat aber nie politisch ein stabiles Verfahren vereinbart, also zu welchem Zeitpunkt welche Ergebnisse vorliegen sollen, wie die Prüfung stattfinden soll, nach welchem Kriterium wird jetzt festgestellt, ob der Salzstock geeignet ist oder nicht.

Und das sind eben Versäumnisse, die über die 30 Jahre dazu geführt haben, dass wir dort sind, wo wir heute sind, und wir auch vor der Frage stehen, sollen wir Gorleben noch mit anderen Salzstöcken oder anderen Tonsteinformationen vergleichen. Das will ja die eine Regierungspartei, oder die andere Regierungspartei sagt, lass uns bei Gorleben weitermachen, ohne dass dafür bisher belastbare Dokumente zur Verfügung stehen.

Pindur: Kann man denn Ihrer Ansicht nach stark strahlendes, radioaktives Material überhaupt auf Dauer sicher lagern unterirdisch?

Sailer: Es ist die einzige Möglichkeit, die wir haben. Man muss sich nur vorstellen, wenn man stark strahlendes Material über eine Million Jahre oberirdisch lagert, dann wird es garantiert freigesetzt. Unterirdisch, in einer guten Formation, an einer guten Stelle und technisch gut gemacht, haben wir durchaus eine Chance, dass das eine Million Jahre zurückgehalten wird.

Pindur: Vielen Dank für das Gespräch, Michael Sailer, Vorsitzender der Entsorgungskommission des Bundesumweltministeriums.

Das Gespräch als
MP3 Entsorgungskommission hält Salzstock in Asse für falschen Atommüll-Lagerort
Sendezeit: 07.08.2008 07:52
Audiobeitrag Länge: 5:15 min
Quelle:
Deutschlandradio